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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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durch einen feinen Nebel gefiltert, der sich besonders um den alten, grauen Kirchturmverdichtete, der seit einem Jahr in einem Baugerüst gefangen war. Draußen in der Kälte räusperten sich die Schneeschaufeln.
    Es war Sonntag, ein angenehmer Tag, der sich blau anfühlte, obwohl dieser Morgen schneeweiß war. Nachdem ich aus dem Fenster geschaut hatte, ging ich wieder ins Bett. Die Körperwärme, die liegen geblieben war, empfing mich wie eine Haut, die ich vorübergehend abgestreift hatte, ich legte mich hinein und wurde sofort wieder müde. Unter mir waren die Geräusche von Möbeln zu hören, die verrückt wurden; mein Vater arbeitete im Keller, vielleicht stand er kurz vor einem Durchbruch. Draußen musste es eiskalt sein, denn die Scheiben waren beschlagen, obwohl sie gerade erst letztes Jahr mit neuen Dichtungen versehen worden waren. Ein kleinwüchsiger Mann, der unangenehm nach Salbe roch, hatte sie angebracht.
    Ich rollte mich auf den Rücken. Trotz der Müdigkeit würde ich nicht mehr einschlafen können. Das helle Winterbild mit seinen kräftigen weißen Farben hatte mich geblendet, und wenn ich jetzt die Augen schloss, erschien ein dunkelgrüner Hintergrund.
    Ich stand auf.
    Mit nackten Füßen ging ich durchs Zimmer. Früher Morgen. Eiskalter Boden, Teppich, wieder eiskalter Boden. Ich holte mir meine Sammlung von Spielfiguren mit ins Bett.
    Sie fielen in einem Durcheinander aus der kleinen Holzkiste, verbreiteten ihren charakteristischen Geruch nach Plastik und hart gewordenem Industrieleim, der bereits in meinen Handflächen imprägniert war.
    Es gab zwei Dinosaurier, denen ich aus kosmetischen Gründen die dünnen Arme gebrochen hatte und die sich seitdem sehr fügsam und brav verhielten. Ohne Armesahen sie sogar noch ein wenig Furcht erregender aus. Den einen Arm hatte ich einem Elefanten auf den fehlenden Rüssel geschraubt. Spielfiguren überstehen jede Form von Transplantation.
    Dann ein berühmter General namens Sunny. Berühmt war er, weil er viele Orden an der Brust trug, ein kleines Quadrat aus Farben, dort, wo man sonst die Hand ablegte, um hochheilig zu schwören oder den eigenen Herzschlag zu spüren. Der General war kleiner als die Elefanten, natürlich, da Generäle immer kleiner sind als Elefanten, egal wie viel Macht sie haben. General Sunny hatte außerdem noch ein Gewehr, das Luftbläschen von sich geben sollte, wenn man es mit Seifenwasser füllte. Aber das war, wie die kurze Lebensskizze von General Sunny auf der Originalverpackung, nichts als eine Legende. Ich hatte es einmal ausprobiert und das Ergebnis war sehr mickrig ausgefallen. Das Wasser blubberte aus dem Lauf der Kanone und tropfte aufs Bett. Meine Mutter entdeckte die Flecken und – sagte nichts. Schaute lange auf die Tropfenspuren und sagte nichts. Dabei war es nur Seifenwasser! Wasser, angereichert mit Seife. Es besaß einen milchigen Schimmer und war beinahe geruchlos, außer man hielt die Nase sehr nahe an den Fleck. Dann roch er natürlich nach Seife.
    Es folgten eine Reihe Bauern, einfärbige, aus uralten Spielzeugsammlungen entwendete Soldatenfiguren, deren Beine in einer Art gefrorener Pfütze aus Plastik feststeckten, damit sie besser stehen konnten. Sie bestanden aus nichts als aus Posen und Haltungen. Einer hielt eine Fahne in der Hand und war gerade im Begriff, sie in den Boden zu pflanzen. Ein anderer zielte mit einem Gewehr, das nicht größer war als eine Tannennadel. Ein dritter hockte auf dem Boden und hielt den T-förmigen Fernzündereiner Bombe, gleich würde er ihn betätigen, und – Bumm! – der Staudamm bricht und der Fluss ergießt seine unkontrollierbare Wut über das Land, das Wasser tritt über die Ufer, die Städte versinken und ich, im Marinetaucheranzug, kämpfe mich durch das Volksschulgebäude, das vollkommen unter Wasser steht und in dem ein paar Lehrer gefangen sind. Sie sind über mein beherztes Einschreiten und darüber, dass ich ihnen das Leben gerettet habe, so erstaunt und erfreut, dass sie mich wieder bei sich aufnehmen, in einer eigens für mich eingerichteten fünften Klasse. Ich bin der Klügste in dieser Klasse und ich muss nicht ins Gymnasium wechseln.
    Die kleinen grünen Soldaten schmolzen, wenn man sie über eine Flamme hielt, auf eine sehr deprimierende Art und Weise: Ihre Körper fielen in sich zusammen, die Beine knickten ein, als knieten sie vor einem Altar zum Gebet nieder, und sie brannten kaum, es gab nur einen üblen Geruch, den man tagelang nicht aus dem Zimmer

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