Die Freude am Leben
Felsenküste über ein Rinnsal springen mußte; und sie selbst sprang kühn wie ein Junge, während sich die andere mit dem leisen Aufschrei einer verwundeten Schwalbe in die Arme des jungen Mannes fallen ließ. Bei der Rückkehr dann stützte er sie; das unterdrückte Lachen der beiden, ihr Geflüster begann von neuem. Noch beunruhigte nichts Pauline, sie bewahrte ihre tapfere Haltung, ohne zu erkennen, daß sie ihr Glück aufs Spiel setzte, indem sie nicht müde war und keines Beistandes bedurfte. Der gesunde Geruch ihrer Hausfrauenarme verwirrte niemand. Mit einer Art lächelnder Verwegenheit zwang sie die beiden, Arm in Arm vor ihr her zu gehen, wie um ihnen ihr Vertrauen zu beweisen.
Im übrigen hätte keiner von beiden sie betrogen. Obgleich sich Lazare von diesem Rausch wieder gefangennehmen ließ, wehrte er sich doch immer dagegen, gab sich hinterher Mühe und zeigte sich Pauline gegenüber noch liebevoller. Es war eine Überrumpelung seines Fleisches, der er mit Wonne nachgab, wobei er hoch und heilig gelobte, daß das Spiel diesmal beim erlaubten Lachen haltmachen würde. Warum hätte er sich diese Freude versagen sollen, da er ja entschlossen war, seiner Pflicht als ehrenhafter Mann treu zu bleiben? Und Louise hatte noch mehr Skrupel; nicht daß sie sich der Koketterie bezichtigte, denn sie war von Natur anschmiegsam, sie verschenkte sich, ohne es zu wissen, in einer Gebärde, in einem Atemzug; doch sie hätte weder einen Schritt getan noch ein Wort gesprochen, wenn sie geglaubt hätte, Pauline zu verletzen. Die Verzeihung des Vergangenen rührte sie zu Tränen, sie wollte ihr beweisen, daß sie dessen würdig war, sie brachte ihr jene überschwengliche Anbetung einer Frau entgegen, die in Schwüren, Küssen und allen Arten leidenschaftlicher Liebkosungen zum Ausdruck kommt. So beobachtete sie sie unaufhörlich, um herbeizueilen, wenn sie meinte, einen Schatten auf ihrer Stirn zu sehen. Plötzlich ließ sie Lazares Arm los, kam und ergriff den ihren, ärgerlich darüber, daß sie sich einen Augenblick hatte gehenlassen; und sie suchte sie zu zerstreuen, wich nicht mehr von ihrer Seite, tat sogar so, als schmolle sie mit dem jungen Mann. Niemals war sie so charmant erschienen wie in dieser ständigen Erregung, in diesem Bedürfnis zu gefallen, das sie fortriß und ihr dann wieder unendlich leid tat und in dem sie das Haus mit dem Wirbel ihrer Röcke und mit ihrem schmeichelnden Schmachten einer jungen Katze erfüllte.
Nach und nach verfiel Pauline wieder in ihre Qualen. Die Hoffnung, der Triumph, die sie einen Augenblick erfüllt hatten, steigerten noch deren Grausamkeit. Das waren nicht die heftigen Erschütterungen von früher, die Eifersuchtsanfälle, die sie für eine Stunde verwirrten; es war ein langsames Erdrücktwerden, wie eine Last, die auf sie gefallen war und deren Gewicht sie mit jeder Minute mehr zermalmte. Von nun an gab es keinen Aufschub mehr, war keine Rettung mehr möglich: Am Ende würde doch ihr Unglück stehen. Gewiß, sie hatte ihnen keinen Vorwurf zu machen, beide überschütteten sie mit Zuvorkommenheit, kämpften gegen die verführende Gewalt, die sie zueinander trieb; und gerade unter dieser Zuvorkommenheit litt sie, sie begann wieder klarzusehen, seit die beiden sich darüber zu verständigen schienen, ihr den Schmerz ihrer Liebe zu ersparen. Das Mitleid dieser beiden Liebenden wurde ihr unerträglich. Waren das nicht Geständnisse, dieses hastige, Geflüster, wenn sie sie miteinander allein ließ, das jähe Schweigen dann, sobald sie wieder erschien, und diese heftigen Küsse von Louise und diese liebevolle Demut Lazares? Sie hätte es lieber gesehen, sie würden sich schuldig machen und sie, in Winkeln verborgen, verraten; während diese ehrsame Behutsamkeit, diese Entschädigung durch Liebkosungen, die ihr alles sagten, sie entwaffneten, so daß sie weder den Willen noch die Tatkraft fand, ihr Gut zurückzuerobern. An dem Tage, da sie ihre Nebenbuhlerin wieder mitgebracht hatte, war es ihr Vorhaben gewesen, gegen sie zu kämpfen, wenn es sein mußte; allein was sollte man gegen Kinder beginnen, die so betrübt darüber waren, daß sie sich liebten? Sie selber hatte es ja gewollt, sie hätte Lazare nur zu heiraten brauchen, ohne sich zu sorgen, ob sie ihn dazu zwang. Aber noch heute, trotz ihrer Qual, empörte sie der Gedanke, so über ihn zu verfügen, die Erfüllung eines Versprechens zu fordern, das er zweifellos bereute. Und wäre sie daran gestorben, so hätte sie ihn
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