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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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und nach erkannte sie darin ihre eigene Stimme und redete sich selber zu: Was bedeutete ihr Leid, wenn nur die geliebten Wesen glücklich waren! Sie schluchzte leiser, der aus der Tiefe der Finsternis steigenden Flut lauschend, erschöpft und krank, ohne jedoch schon besiegt zu sein.
    Eines Nachts war sie zu Bett gegangen, nachdem sie lange am Fenster geweint hatte. Sobald sie ihre Kerze gelöscht hatte und mit weitgeöffneten Augen im Dunkel lag, faßte sie plötzlich einen Entschluß: Am nächsten Morgen würde sie, vor allem anderen, ihren Onkel veranlassen, an Louise zu schreiben, um diese zu bitten, daß sie komme und einen Monat in Bonneville verbringe. Nichts schien ihr natürlicher noch leichter. Sie fiel sofort in einen tiefen Schlaf, seit Wochen hatte sie nicht so gut geruht. Doch als sie am nächsten Morgen zum Frühstück hinuntergegangen war und sich zwischen ihrem Onkel und ihrem Cousin wiederfand an diesem Familientisch, auf dem die Plätze der drei Milchschalen bezeichnet waren, drohte sie plötzlich zu ersticken, fühlte sie ihren Mut schwinden.
    »Du ißt nicht«, sagte Chanteau. »Was hast du bloß?«
    »Ich habe nichts«, erwiderte sie. »Im Gegenteil, ich habe geschlafen wie eine Selige.«
    Der bloße Anblick Lazares lieferte sie wieder ihrem Kampf aus. Er aß schweigend, dieses beginnenden neuen Tages bereits überdrüssig; und sie fand nicht mehr die Kraft, ihn einer anderen zu geben. Die Vorstellung, daß eine andere ihn nehmen, ihn küssen würde, um ihn zu trösten, war ihr unerträglich. Als er hinausgegangen war, wollte sie dennoch tun, was sie beschlossen hatte.
    »Geht es deinen Händen heute schlechter?« fragte sie ihren Onkel.
    Er besah sich seine Hände, die voller Gichtknoten waren, und ließ mühsam die Gelenke spielen.
    »Nein«, erwiderte er. »Die Rechte scheint sogar beweglicher ... Wenn der Pfarrer kommt, werden wir eine Partie spielen.« Dann, nach einem Schweigen: »Warum fragst du mich danach?«
    Zweifellos hatte sie gehofft, er werde nicht schreiben können. Sie wurde rot, sie verschob feige den Brief auf den nächsten Tag und stammelte:
    »Mein Gott! Nur so.«
    Seit diesem Tag verlor sie jede Ruhe. In ihrem Zimmer gelang es ihr nach Weinkrämpfen, sich zu überwinden, sie schwor, nach dem Erwachen ihrem Onkel den Brief zu diktieren. Und sobald sie das tägliche Leben des Haushalts zwischen denen, die sie liebte, wieder begann, wurde sie kraftlos. Es waren unbedeutende kleine Dinge, die ihr das Herz brachen, das Brot, das sie für ihren Cousin schnitt, die Schuhe des jungen Mannes, die sie der Sorge des Hausmädchens empfahl, der ganze übliche und gewohnheitsmäßige Gang des Familienlebens. Dabei hätte man so glücklich sein können in diesen alten Gewohnheiten des Hauses! Wozu eine Fremde rufen? Warum diese süßen Dinge stören, von denen sie seit so vielen Jahren lebten? Und bei dem Gedanken, daß eines Tages nicht sie es mehr sein würde, die das Brot schnitt, die über die Kleidung wachte, würgte sie Verzweiflung, fühlte sie das vorausgesehene Glück ihres Lebens zusammenbrechen. Diese Qual, die sich in die geringsten Arbeiten mischte, die sie in der Wirtschaft tat, vergiftete ihre Tage einer rührigen Hausfrau.
    »Was ist nur?« sagte sie manchmal laut. »Wir lieben uns und sind nicht glücklich ... Unsere Zuneigung schafft nur Unglück um uns her.«
    Immer wieder versuchte sie zu begreifen. Es lag vielleicht daran, daß ihr Charakter und der ihres Cousins nicht zueinander paßten. Indessen hätte sie nachgeben, jedem eigenen Willen entsagen wollen; aber dies gelang ihr kaum, denn die Vernunft trug trotzdem den Sieg davon, sie war versucht, die Dinge durchzusetzen, die sie für vernünftig hielt. Oft versagte ihre Geduld, gab es Verstimmungen. Sie hätte lachen, diese Vorkommnisse in ihrer Fröhlichkeit ertränken mögen; doch nun regte auch sie sich auf.
    »Das ist ja reizend!« wiederholte Véronique vom Morgen bis zum Abend. »Nun sind Sie bloß drei und werden sich am Ende noch gegenseitig auffressen ... Frau Chanteau hatte recht unangenehme Tage, aber wenigstens war man zu ihren Lebzeiten noch nicht so weit, daß man sich die Kochtöpfe an den Kopf warf.«
    Auch Chanteau spürte die Auswirkungen dieser langsamen, durch nichts zu erklärenden Entfremdung. Wenn er einen Anfall hatte, schrie er noch lauter, wie das Hausmädchen sagte. Dann hatte er die Launen und heftigen Ausbrüche eines Kranken, ein Bedürfnis, ständig die Leute zu quälen. Das Haus wurde

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