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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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begnügte sich zu lächeln, als er sich entschloß, mit seinen Lippen die dargebotenen Wangen des jungen Mädchens leicht zu berühren.
    Daraufhin ging Véronique, die das sah, mit schlenkernden Händen wieder in ihre Küche zurück, das verschlug ihr den Atem. Auch sie begriff nicht. Nach allem, was geschehen war, mußte man recht wenig Herz haben. Mademoiselle Pauline wurde unmöglich, wenn sie es darauf anlegte, gut sein zu wollen. Es war also nicht genug mit all diesen kleinen verlausten Gören, die sie bis in die Küche schleppte: Jetzt brachte sie Herrn Lazare auch noch Liebchen an! Das würde ja ein sauberes Haus werden. Als die Magd sich an ihrem Herd polternd erleichtert hatte, kam sie zurück und rief:
    »Sie wissen doch, daß das Mittagessen seit einer Stunde bereitsteht ... Die Kartoffeln sind ganz verkohlt.«
    Man aß mit großem Appetit, aber Chanteau allein lachte ungezwungen, er war zu vergnügt, um das anhaltende Unbehagen der drei anderen zu bemerken. Sie waren zueinander von liebevoller Zuvorkommenheit; und dennoch schienen sie einen Rest von unruhiger Traurigkeit in sich zu bewahren, wie nach jenen Streitigkeiten, bei denen man einander vergeben hat, ohne die nicht wiedergutzumachenden Beleidigungen vergessen zu können. Den Nachmittag verwandte man dann für die Unterbringung der Neuangekommenen. Sie nahm wieder ihr Zimmer im ersten Stock ein. Wäre am Abend Frau Chanteau mit ihrem raschen kleinen Schritt zu Tisch heruntergekommen, so hätte man geglaubt, die Vergangenheit sei ganz, wie sie war, wiedererstanden.
    Noch fast eine Woche hielt die Befangenheit an. Lazare, der Pauline nicht zu befragen wagte, konnte sich ihr Verhalten, das er als seltsame Laune betrachtete, noch immer nicht erklären; denn der Gedanke an ein mögliches Opfer, an eine schlicht und großzügig ihm gebotene Wahl kam ihm keineswegs. Er selber hatte in dem Begehren, das ihn in seiner Untätigkeit durchtobte, nie daran gedacht, Louise zu heiraten. Und so entstand, seit sie sich alle drei wieder vereint sahen, daraus eine schiefe Situation, unter der sie litten. Hin und wieder gab es ein verlegenes Schweigen, manche Sätze blieben halb ausgesprochen auf ihren Lippen, aus Furcht vor einer ungewollten Anspielung. Überrascht durch dieses unvorhergesehene Ergebnis, war Pauline gezwungen, ihr Lachen zu übertreiben, um zu der schönen Sorglosigkeit von früher zurückzukehren. Aber zunächst hatte sie eine tiefe Freude, sie glaubte zu fühlen, daß Lazare zu ihr zurückkam. Louises Gegenwart hatte ihn beruhigt, er floh sie fast, vermied es, mit ihr allein zu sein, empört bei dem Gedanken, daß er das Vertrauen seiner Cousine noch einmal täuschen könnte; und er wandte sich ihr wieder zu, von einer fieberhaften Zärtlichkeit gequält, erklärte mit gerührter Miene, sie sei die beste aller Frauen, eine wahre Heilige, deren er unwürdig sei. Glücklich über ihren Sieg, kostete sie ihn in himmlischer Freude aus, wenn sie ihn der anderen gegenüber so wenig liebenswürdig sah. Am Ende der Woche machte sie ihm sogar Vorwürfe.
    »Warum läufst du weg, sowie ich mit ihr zusammen bin? Das bekümmert mich. Sie ist nicht bei uns, damit wir ihr ein böses Gesicht zeigen.«
    Lazare vermied es zu antworten und machte eine unbestimmte Geste. Da erlaubte sie sich eine Anspielung, die einzige, die ihr jemals entfuhr:
    »Ich habe sie mitgebracht, damit du weißt, daß ich euch seit langem verziehen habe. Ich habe diesen häßlichen Traum auslöschen wollen, es ist nichts mehr davon übrig ... Und du siehst, ich habe keine Angst mehr, ich habe Vertrauen zu euch.«
    Er nahm sie in seine Arme und drückte sie ganz fest an sich. Dann versprach er, liebenswürdig zu der anderen zu sein.
    Von diesem Augenblick an flossen die Tage in bezaubernder Vertrautheit dahin. Lazare schien sich nicht mehr zu langweilen. Statt in sein Zimmer hinaufzugehen und sich dort einzuschließen, menschenscheu und krank vor Einsamkeit, erfand er Spiele, schlug er Spaziergänge vor, nach denen man von frischer Luft berauscht heimkehrte. Und da geschah es, ganz unmerklich, daß Louise ihn wieder gefangennahm. Er gewöhnte sich daran, wagte ihr den Arm zu bieten, ließ sich erneut von jenem verwirrenden Duft durchdringen, den der geringste Zipfel ihrer Spitzen ausströmte. Zunächst kämpfte er dagegen an, wollte er sich entfernen, sowie er den Rausch in sich aufsteigen fühlte. Doch seine Cousine selber rief ihm zu, er solle dem jungen Mädchen helfen, wenn sie an der

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