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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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abgewiesen, wenn er eine andere liebte.
    Indessen blieb Pauline die Mutter ihrer kleinen Welt, pflegte Chanteau, dem es schlecht ging, war gezwungen, Véronique nachzuarbeiten, deren Sauberkeit nachließ, ganz abgesehen von Lazare und Louise, die sie als ausgelassene Kinder zu behandeln vorgab, um über ihre Streiche lächeln zu können. Es gelang ihr, lauter zu lachen als sie, jenes schöne, klingende Lachen, aus dem mit hellen Trompetentönen Gesundheit und Lebensmut klangen. Das ganze Haus heiterte sich auf. Vom Morgen bis zum Abend gab sie sich ihrer übertriebenen Geschäftigkeit hin, weigerte sie sich, die Kinder zum Spaziergang zu begleiten, indem sie einen Vorwand ersann wie Großreinemachen, Wäschewaschen oder Einkochen. Doch vor allem Lazare wurde geräuschvoll: Er pfiff im Treppenhaus, schlug die Türen zu, fand die Tage zu kurz und zu ruhig. Obgleich er nichts tat, schien die neue Leidenschaft, die über ihn gekommen war, ihn weit über seine Zeit und seine Kräfte hinaus zu beschäftigen. Wieder einmal eroberte er die Welt, jeden Tag äußerte er beim Abendessen andere außerordentliche Zukunftspläne. Schon widerte die Literatur ihn an, er gestand, die Vorbereitungen für die Prüfungen aufgegeben zu haben, die er ablegen wollte, um ins Lehramt einzutreten; lange hatte er sich mit dieser Entschuldigung in seinem Zimmer eingeschlossen, so mutlos, daß er nicht einmal ein Buch aufschlug; und heute verspottete er seine Dummheit. War es nicht blödsinnig, sich einen Strick ans Bein zu binden, um später Romane und Stücke zu schreiben? Nein! Nur die Politik kam in Frage, sein Plan stand nunmehr fest: Er kannte ein wenig den Abgeordneten von Caen, er würde ihn als Sekretär nach Paris begleiten, und dort würde er in wenigen Monaten seinen Weg machen. Das Kaiserreich brauchte dringend intelligente Burschen. Wenn Pauline, durch diesen Gedankengalopp beunruhigt, sein Fieber zu beschwichtigen suchte, indem sie ihm zu einer soliden kleinen Anstellung riet, erhob er laut Einspruch gegen ihre Vorsicht und nannte sie scherzhaft »Großmutter«. Und das Gepolter begann von neuem, das Haus hallte wider von einer allzu lauten Freude, aus der man die Angst einer verborgenen Not heraushörte.
    Eines Tages, als Lazare und Louise allein nach Verchemont gegangen waren, stieg Pauline, die eine Anleitung zum Auffrischen von Samt brauchte, hinauf und durchsuchte danach den großen Schrank ihres Cousins, in dem sie sie auf einem Stück Papier zwischen zwei Seiten eines Buches gesehen zu haben glaubte. Und dort, unter lauter Heften, entdeckte sie den alten Handschuh ihrer Freundin, jenen vergessenen Handschuh, an dem er sich so oft bis zu einer Art Ersatz sinnlicher Befriedigung berauscht hatte. Das war eine Erleuchtung für sie, sie erkannte den Gegenstand wieder, den er mit so großer Verwirrung verborgen hatte an dem Abend, da sie unvermittelt heraufgekommen war, um ihn zu Tisch zu rufen. Sie sank auf einen Stuhl, wie vernichtet durch diese Entdeckung. Mein Gott! Er wollte dieses Mädchen schon, bevor sie zurückgekehrt war, er lebte mit ihr, er hatte diesen Fetzen mit seinen Lippen abgenutzt, weil er ein wenig von ihrem Duft bewahrte! Heftiges Schluchzen schüttelte sie, während ihre tränennassen Augen starr auf den Handschuh sahen, den sie noch immer in ihren zitternden Händen hielt.
    »Nun, Mademoiselle Pauline, haben Sie sie gefunden?« fragte vom Treppenabsatz her die laute Stimme von Véronique, die nun auch heraufkam. »Ich sage Ihnen, das beste Mittel ist, ihn mit einer Speckschwarte abzureiben.«
    Sie kam herein und begriff zunächst nicht, als sie Pauline in Tränen sah, die Finger um diesen alten Handschuh gekrampft. Aber sie schnupperte im Zimmer herum und erriet schließlich den Grund dieser Verzweiflung.
    »Also doch!« begann sie in der groben Art, die sie mehr und mehr annahm. »Sie hätten wohl auf das gefaßt sein müssen, was da geschieht ... Ich habe Sie damals gewarnt. Sie bringen sie wieder zusammen, und nun amüsieren sie sich ... Und außerdem hatte Frau Chanteau vielleicht recht, dieses Püppchen da reizt ihn mehr als Sie.«
    Sie schüttelte den Kopf und fügte, zu sich selber sprechend, mit dumpfer Stimme hinzu:
    »Ach! Frau Chanteau sah klar, trotz ihrer Fehler ... Ich kann es noch immer nicht verwinden, daß sie tot ist.«
    Am Abend in ihrem Zimmer, als Pauline ihre Tür geschlossen und die Kerze auf die Kommode gestellt hatte, sank sie auf den Rand ihres Bettes nieder und sagte sich, sie

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