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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zu besuchen, für vierzehn Tage entfliehen. Im Grunde schämte er sich dieser Flucht. Aber er besänftigte sein Gewissen, eine kurze Trennung würde ihrer beider Nerven beruhigen, und es genügte eigentlich, wenn er zur Niederkunft bei ihr war.
    An dem Abend, da Pauline endlich die ganze Geschichte der verflossenen achtzehn Monate erfuhr, blieb sie einen Augenblick stumm, betäubt durch dieses Desaster. Es war im Eßzimmer, sie hatte Chanteau zu Bett gebracht, Lazare saß vor der erkalteten Teekanne unter der blakenden Lampe und hatte gerade seine Beichte beendet.
    Nach einem Schweigen sagte sie schließlich:
    »Ihr liebt euch also nicht mehr, großer Gott!«
    Er war aufgestanden, um in sein Zimmer hinaufzugehen. Und er widersprach mit seinem unruhigen Lachen.
    »Wir lieben uns so sehr, wie man sich nur lieben kann, mein Kind ... Weißt du denn gar nichts in deinem Nest hier? Warum sollte es mit der Liebe besser gehen als mit allem anderen?«
    Sowie Pauline sich in ihrem Zimmer eingeschlossen hatte, bekam sie wieder einen jener Anfälle der Verzweiflung, die sie so oft schon auf demselben Stuhl durchgestanden hatte, unter Qualen wachend, während das Haus schlief. Würde das Unglück von neuem beginnen? Nachdem sie geglaubt hatte, für die anderen und für sie selbst sei alles vorbei, nachdem sie sich das Herz aus dem Leibe gerissen und gar Lazare an Louise verschenkt hatte, erfuhr sie plötzlich die Nutzlosigkeit ihres Opfers: Sie liebten sich schon nicht mehr, vergebens hatte sie die Tränen ihres Martyriums geweint und ihr Herzblut vergossen. Dieses erbärmliche Ergebnis war nun ihr Lohn, neue Schmerzen warteten auf sie, nahe bevorstehende Kämpfe, deren Vorahnung ihre Angst vergrößerte. Die Leiden hörten also niemals auf!
    Und während sie mit herabhängenden Armen starr auf ihre brennende Kerze schaute, stieg der Gedanke, daß sie allein schuld war an diesem Unglück, aus ihrem Gewissen auf und bedrückte sie. Vergeblich sträubte sie sich gegen die Tatsachen: Sie allein hatte diese Ehe geschlossen, ohne zu begreifen, daß Louise nicht die Frau war, die ihr Cousin brauchte; denn sie sah sie zu dieser Stunde deutlich vor sich, zu nervös, um ihn ins Gleichgewicht zu bringen, beim geringsten Hauch selber nahe daran, kopflos zu werden, einzig den Reiz einer Geliebten besitzend, dessen er überdrüssig geworden. Warum fielen ihr alle diese Dinge erst heute auf? Waren es nicht eben die Gründe, die sie bestimmt hatten, Louise ihren Platz einnehmen zu lassen? Früher fand sie Louise zärtlicher, es schien ihr, daß diese Frau mit ihren Küssen die Macht hätte, Lazare aus seinen düsteren Stimmungen zu reißen. Welch ein Jammer, das Gute zu wollen und das Schlechte zu tun, so wenig vom Leben zu wissen, daß sie die Menschen ins Verderben stürzte, wenn sie nur ihr Heil wollte! Gewiß, sie hatte geglaubt, gütig zu sein, ihr Liebeswerk dauerhaft zu gestalten an dem Tage, da sie beider Freude mit so viel Tränen bezahlt hatte. Und eine große Verachtung für ihre Güte überkam sie, da Güte nicht immer Glück bewirkte.
    Das Haus schlief, sie hörte in der Stille des Zimmers nur das Geräusch ihres Blutes, das in ihren Schläfen pochte. Das war ein Aufruhr, der nach und nach anschwoll und losbrach. Warum hatte sie Lazare nicht geheiratet? Er gehörte ihr, sie hätte ihn nicht herzugeben brauchen. Vielleicht wäre er zunächst verzweifelt, aber sie hätte es wohl verstanden, ihm in der Folge ihren Mut einzuhauchen, ihn vor den blödsinnigen Alpträumen zu beschützen. Immer hatte sie die Torheit besessen, an sich zu zweifeln, darin lag die einzige Ursache ihres Unglücks. Und das Bewußtsein ihrer Kraft, ihre ganze Gesundheit, ihre ganze Liebe grollten, machten sich endlich geltend. War sie nicht mehr wert als die andere? Weshalb also war sie so dumm gewesen, sich so in den Schatten zu stellen? Jetzt sprach sie Louise sogar die Leidenschaft ab, trotz ihrer Hingabe einer sinnlichen Geliebten, denn sie fand in ihrem eigenen Herzen eine größere Leidenschaft, jene, die sich dem geliebten Wesen opfert. Sie liebte ihren Cousin genug, um zu verschwinden, wenn die andere ihn glücklich gemacht hätte; aber da die andere das große Glück, ihn zu besitzen, nicht zu wahren wußte, sollte sie da nicht handeln, diesen schlechten Ehebund zerbrechen? Und ihr Zorn steigerte sich noch immer, und sie fühlte sich schöner, tapferer, sie betrachtete ihren – Busen und ihren jungfräulichen Leib in dem plötzlichen Stolz des Weibes,

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