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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Gleichgültigkeit war bedrohlich.
    Als Chanteau schließlich dieses Thema mit seiner Frau erörterte, zeigte sie sich mehr von Neugier als von Besorgnis geplagt. Einen Augenblick hatte sie die Wahrheit gewittert und gedacht, Saccard wäre mitten im Galopp seiner Millionen vielleicht ohne einen Sou und sinne darauf, sich Paulines Geld aushändigen zu lassen, um es zu verzehnfachen. Dann kam sie auf abwegige Gedanken und fragte sich, ob nicht das junge Mädchen selber in einer rachsüchtigen Laune an seinen Gegenvormund geschrieben hatte. Und da diese Vermutung ihren Mann in Empörung versetzte, dachte sie sich eine verwickelte Geschichte aus, anonyme Briefe, die Boutignys Frauenzimmer in Umlauf brachte, dieses liederliche Weibsbild, das zu empfangen sie ablehnten und von dem sie in den Läden von Verchemont und Arromanches schlechtgemacht wurden.
    »Sie können mir alle gestohlen bleiben!« sagte sie. »Die Kleine ist noch nicht achtzehn Jahre alt, das stimmt; aber ich brauche sie nur sogleich mit Lazare zu verheiraten, die Heirat macht sie nach Recht und Gesetz mündig.«
    »Bist du dessen sicher?« fragte Chanteau.
    »Allerdings! Ich hab es erst heute früh im Gesetzbuch gelesen.«
    Tatsächlich las Frau Chanteau jetzt im Gesetzbuch. Ihre letzten Bedenken schlugen sich mit diesen Fragen herum, sie suchte nach Entschuldigungen; dann interessierte sie sich mit aller Beharrlichkeit für die legalen Möglichkeiten einer Erbschleicherei, denn ihre Rechtschaffenheit war allmählich zerbröckelt, die Versuchung durch diese Riesensumme, die neben ihr im Schubfach schlummerte, hatte ihre Rechtschaffenheit nach und nach zerstört.
    Im übrigen konnte sich Frau Chanteau nicht für die Eheschließung entscheiden. Nach dem Geldverlust hätte Pauline die Angelegenheit gern beschleunigt: Weshalb sechs Monate warten, bis sie achtzehn Jahre alt wäre? Man sollte lieber zum Schluß kommen, ohne erst abzuwarten, bis sich Lazare eine Stellung suchte. Sie wagte darüber zu ihrer Tante zu sprechen, die in ihrer Verlegenheit eine Lüge erfand; sie schloß die Tür und senkte die Stimme, um ihr eine geheime Qual ihres Sohnes anzuvertrauen: Er sei sehr zartfühlend, er würde sehr leiden, wenn er sie heiratete, ohne ein Vermögen mit in die Ehe bringen zu können, jetzt, da er das ihre aufs Spiel gesetzt hatte. Das junge Mädchen hörte ihr voller Verwunderung zu, ohne diese romanhafte Spitzfindigkeit zu verstehen; er hätte sehr reich sein können, und sie hätte ihn trotzdem geheiratet, weil sie ihn liebte; und im übrigen, wie lange müßte man dann noch warten? Vielleicht ewig. Aber Frau Chanteau erhob laut Einspruch. Lazare werde dieses übertriebene Ehrgefühl schon überwinden, wenn man nur nichts übereilte. Zum Schluß ließ sie Pauline schwören, Stillschweigen zu bewahren, denn sie fürchtete, der junge Mann könne eine Unbesonnenheit begehen, plötzlich abreisen, wenn er erführe, daß man seine Gedanken erraten, ausgebreitet und erörtert hatte. Von Besorgnis erfaßt, mußte sich Pauline entschließen, Geduld zu üben und zu schweigen.
    Als indessen Chanteau von der Angst vor Saccard geplagt wurde, sagte er zu seiner Frau:
    »Wenn dadurch alles in Ordnung kommt, dann verheirate die Kinder doch.«
    »Nichts treibt zur Eile«, erwiderte sie. »Die Gefahr steht nicht vor der Tür.«
    »Aber wenn du die beiden ohnehin eines Tages miteinander verheiraten willst ... Du hast deine Ansicht doch nicht etwa geändert, denke ich? Sie würden daran sterben.«
    »Oh! Sie würden daran sterben ... Solange eine Sache nicht getan ist, kann man sie ebensogut bleiben lassen, wenn sie sich als schlecht erweist. Na, und was denn? Sie sind völlig frei, wir werden sehen, ob sie später immer noch daran Gefallen finden.«
    Pauline und Lazare hatten ihr gemeinsames Leben von früher wiederaufgenommen, waren beide durch die Härte eines schrecklichen Winters ans Haus gefesselt. In der ersten Woche sah sie ihn so traurig, so voll Scham über sich selbst und so wütend auf die Verhältnisse, daß sie ihn mit unendlicher Aufmerksamkeit wie einen Kranken umsorgte; sie hatte sogar Mitleid mit diesem großen Jungen, dessen beschränkter Wille, dessen lediglich nervöser Eifer die Fehlschläge erklärte; und sie bekam nach und nach die scheltende Autorität einer Mutter über ihn. Zunächst brauste er auf, erklärte, er würde Bauer werden, machte haufenweise verrückte Pläne, wie er rasch ein Vermögen erwerben könne, und dabei errötete er über das

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