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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sich über die Eigenschaften, die sie von einer vollkommenen Schwiegertochter verlangte; und ihre Augen ließen nicht mehr von denen des jungen Mädchens, versuchten, ihr zu verstehen zu geben, was sie nicht aussprach. Das ganze Bild derselben entrollte sich: eine wohlerzogene junge Person, die schon die Welt kannte, imstande, Gäste zu empfangen, eher anmutig als schön, vor allem sehr fraulich, denn sie sagte, sie verabscheue diese jungenhaften Mädchen, die unter dem Vorwand der Freimütigkeit ungehobelt seien. Dann war da die Frage des Geldes, die einzig entscheidende Frage, die sie mit einem Worte streifte: Gewiß, die Mitgift zähle nicht, aber ihr Sohn habe große Pläne, er könne sich nicht auf eine Heirat einlassen, die ihn ruinieren würde.
    »Sieh mal, meine Liebe, hätte Pauline nicht einen Sou gehabt und wäre sie ohne ein Hemd auf dem Leib hier hereingeschneit, nun, dann wäre die Heirat schon seit Jahren gemacht ... Doch soll ich etwa nicht zittern, wenn ich sehe, wie das Geld ihr unter den Fingern zerrinnt? Sie wird jetzt weit kommen, nicht wahr, mit ihren sechzigtausend Francs ... Nein, Lazare ist mehr wert als das, ich werde ihn niemals einer Verrückten geben, die am Essen knapst, um sich in Dummheiten zu ruinieren.«
    »Oh, das Geld bedeutet nichts!« entgegnete Louise und senkte den Blick. »Man braucht es eben nur.«
    Ohne daß noch deutlicher von ihrer Mitgift die Rede war, schienen die zweihunderttausend Francs da auf dem Tisch zu liegen, beleuchtet vom schläfrigen Schein der Hängelampe. Da Frau Chanteau sie förmlich spürte, sie geradezu vor sich sah, geriet sie in Fieber, schob mit einer Handbewegung die armseligen sechzigtausend Francs der anderen beiseite und träumte davon, die zuletzt Gekommene mit ihrem unversehrten Vermögen zu erobern. Sie hatte das plötzliche Begehren in ihrem Sohn bemerkt, bevor ihn die Widerwärtigkeiten da oben festhielten. Wenn das junge Mädchen ihn gleichfalls liebte, warum sollte man sie nicht miteinander verheiraten? Der Vater würde einwilligen, besonders im Falle gegenseitiger Leidenschaft. Und sie schürte diese Leidenschaft, sie brachte den Rest des Abends damit zu, verwirrende Sätze zu murmeln.
    »Mein Lazare ist so gut! Niemand kennt ihn. Du selber, Louisette, du kannst nicht ahnen, wie zärtlich er ist ... Ach, seine Frau ist nicht zu bedauern! Die kann sicher sein, daß sie geliebt wird! Und immer wohlauf! Schwanenweiße Haut. Mein Großvater, der Ritter de la Vignière, hatte so weiße Haut, daß er auf den Maskenbällen seiner Zeit ein Dekolleté trug wie eine Frau.«
    Louise errötete und lachte, sehr belustigt über diese Einzelheiten. Die Art, in der die Mutter ihr um des Sohnes willen den Hof machte, diese vertraulichen Mitteilungen einer ehrbaren Kupplerin, die zwischen zwei Frauen weit gehen konnten, hätten sie die ganze Nacht dort festgehalten. Doch Chanteau nickte schließlich über seiner Zeitung ein.
    »Gehen wir nicht bald schlafen?« fragte er gähnend.
    Dann fügte er, da er seit langem der Unterhaltung nicht mehr gefolgt war, hinzu:
    »Ihr habt gut reden, sie ist nicht boshaft ... Ich werde froh sein, wenn sie erst wieder herunterkommt und ihre Suppe mit mir ißt.«
    »Wir werden alle froh sein«, rief Frau Chanteau gereizt. »Man redet, man sagt, was man denkt, aber das kann einen nicht hindern, die Leute zu lieben.«
    »Die arme Kleine!« erklärte nun auch Louise. »Ich würde ihr gern die Hälfte ihres Leidens abnehmen, wenn ich könnte ... Sie ist so lieb!«
    Véronique, die die Leuchter brachte, mischte sich von neuem ein.
    »Sie tun gut daran, ihre Freundin zu sein, Mademoiselle Louise, denn man müßte schon einen Pflasterstein anstelle des Herzens haben, um Gemeinheiten gegen sie anzuzetteln.«
    »Schon gut, du warst gar nicht gefragt«, begann Frau Chanteau wieder. »Du tätest besser daran, deine Leuchter zu putzen ... Der hier sieht ja ekelhaft aus!«
    Alle erhoben sich. Chanteau, der vor dieser bedrohlichen Auseinandersetzung floh, schloß sich in seinem Zimmer im Erdgeschoß ein. Aber als die beiden Frauen ins erste Stockwerk hinaufgegangen waren, wo ihre Zimmer einander gegenüberlagen, gingen sie noch nicht zu Bett. Fast immer nahm Frau Chanteau Louise für einen Augenblick mit zu sich; und hier begann sie wieder von Lazare zu sprechen, breitete seine Bilder aus, ging sogar so weit, Andenken von ihm hervorzuholen: einen Zahn, den man ihm gezogen, als er ganz klein war, verblichene Haare aus seiner frühesten

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