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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gelben Kieseln des Strandes hin und her bewegten. Zwischen zwei Fluten waren sie voller Hast am Werk; dann mußten sie vor der steigenden Flut zurückweichen. Aber Pauline widmete ihre Aufmerksamkeit vor allem Lazares weißer Jacke und Louises rosa Kleid, die in der Sonne leuchteten. Sie folgte ihnen, fand sie immer wieder, hätte fast bis auf jede Geste erzählen können, wie sie ihren Tag verbrachten. Jetzt, da die Arbeiten energisch vorangetrieben wurden, konnten die beiden sich nicht mehr entfernen und zu den Grotten hinter den Felsenklippen gehen. Sie hatte sie unaufhörlich in einem Kilometer Entfernung vor sich, in der belustigenden Zierlichkeit von Puppen unter dem unendlichen Himmel. Und in ihre wiederkehrenden Kräfte, in die Fröhlichkeit ihrer Genesung mischte sich in großem Maße, ihr selber unbewußt, die eifersüchtige Freude, auf diese Weise mit ihnen zusammen zu sein.
    »Was? Das bringt Ihnen Zerstreuung, den Männern bei der Arbeit zuzusehen«, wiederholte jeden Tag Véronique, während sie das Zimmer ausfegte. »Gewiß, das ist besser als lesen. Mir verwirren die Bücher den Kopf. Und wenn man wieder zu Kräften kommen muß, sehen Sie, dann muß man sich die Sonne in den Schnabel scheinen lassen wie die Truthennen, um ordentlich das Maul voll zu kriegen.«
    Sie war für gewöhnlich nicht redselig, man fand sogar, sie sei verschlossen. Aber mit Pauline schwatzte sie aus Freundschaft, in dem Glauben, ihr damit Gutes zu tun.
    »Komische Arbeit trotzdem! Nun, Hauptsache, es gefällt Herrn Lazare ... Wenn ich sage, daß es ihm gefällt, so sieht er doch schon nicht mehr so begeistert aus! Aber er ist stolz, und er hat es sich in den Kopf gesetzt, wenn er auch vor Ärger platzen sollte ... Und außerdem, wenn er diese Saufbrüder von Arbeitern auch nur eine Minute aus den Augen läßt, schlagen sie ihm gleich ein paar Nägel verquer ein.«
    Nachdem sie mit ihrem Besen unter das Bett gefahren war, redete sie weiter:
    »Was die Gräfin angeht ...«
    Pauline, die nur mit halbem Ohr zuhörte, wunderte sich über dieses Wort.
    »Wieso, die Gräfin?«
    »Na, Mademoiselle Louise! Könnte man nicht meinen, sie sei aus dem Schenkel Jupiters hervorgegangen? Wenn Sie in ihrem Zimmer all ihre kleinen Töpfe Pomaden und Wässerchen sähen! Schon wenn man reinkommt, kriegt man es in der Kehle, so duftet das ... Sie ist trotzdem nicht so hübsch wie Sie.«
    »Oh, ich, ich bin nicht mehr als eine Bäuerin«, sagte das junge Mädchen mit einem Lächeln. »Louise ist sehr anmutig.«
    »Schon möglich! Aber sie hat trotzdem kein Fleisch auf den Knochen. Ich sehe sie ja, wenn sie sich wäscht ... Wenn ich ein Mann wäre, ich würde nicht zögern!«
    Vom Feuer ihrer Überzeugung fortgerissen, lehnte sie sich jetzt neben Pauline auf die Fensterbrüstung.
    »Sehen Sie sie doch nur auf dem Sand da unten, man könnte sie für eine richtige Garnele halten! Natürlich ist es weit weg, und sie kann von hier aus nicht so breit erscheinen wie ein Turm. Aber schließlich muß man wenigstens nach etwas aussehen ... Ah! Da hebt Herr Lazare sie hoch, damit sie sich nicht ihre Stiefel naß macht. Da hat er aber nicht viel in den Armen! Doch es gibt ja Männer, die die Knochen lieben ...«
    Véronique unterbrach sich unvermittelt, als sie neben sich Paulines Zittern spürte. Unaufhörlich kam sie auf dieses Thema zurück, mit der unbändigen Lust, noch mehr darüber zu sagen. Alles, was sie jetzt hörte, was sie sah, blieb ihr in der Kehle stecken und würgte sie: die abendlichen Unterhaltungen, bei denen man über das junge Mädchen herzog, Lazares und Louises verstohlenes Lachen, das ganze undankbare Haus, das dem Verrat zutrieb. Wäre sie sofort hinaufgegangen, wenn eine zu starke Ungerechtigkeit ihren gesunden Menschenverstand empörte, so hätte sie der Genesenden alles berichtet; aber die Angst, diese wieder krank zu machen, hielt sie in ihrer Küche zurück, wo sie herumstapfte und ihre Töpfe mißhandelte und schwor, daß das nicht so weitergehen könne, daß sie eines schönen Tages losplatzen werde. Sowie ihr dann oben ein beunruhigendes Wort entfuhr, versuchte sie, es zurückzunehmen, erklärte sie es mit rührender Ungeschicklichkeit.
    »Gottlob liebt Herr Lazare ja keine Knochen! Er ist in Paris gewesen, er hat einen zu guten Geschmack ... Sehen Sie, er hat sie wieder auf die Erde gestellt, als ob er ein Streichholz fortwirft.«
    Und in der Furcht, noch andere unnütze Dinge zu sagen, schwang Véronique den Staubwedel, um die

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