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Die Freude am Leben

Die Freude am Leben

Titel: Die Freude am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Zuneigungen bluteten in ihr. Jede Szene, die sie heraufbeschwor, wurde zu lebendiger Wirklichkeit: Lazare umschlang die schwach werdende Louise, während Frau Chanteau an der Tür wachte. Mein Gott! Was hatte sie nur getan, daß jeder sie betrog, während sie doch allen treu war?
    »Ich flehe dich an, sei still, das erstickt mich.«
    Als Véronique sie so erschüttert sah, begnügte sie sich damit, dumpf hinzuzufügen:
    »Es ist Ihretwegen, nicht wegen der da, wenn ich nicht noch mehr sage ... und seit heute früh ist sie schon wieder dabei, einen Haufen Abscheulichkeiten auf Ihre Rechnung auszupacken! Da geht mir schließlich die Geduld aus, mein Blut kocht, wenn ich höre, wie sie das Gute, was Sie ihr angetan haben, in Schlechtes verkehrt ... Ehrenwort! Sie behauptet, Sie hätten sie ruiniert und brächten ihr ihren Sohn um. Gehen Sie und horchen Sie an der Tür, wenn Sie mir nicht glauben.«
    Als Pauline in Schluchzen ausbrach, nahm Véronique bestürzt den Kopf des jungen Mädchens in ihre Hände und küßte sie aufs Haar und sagte immer wieder:
    »Nein, nein, Mademoiselle Pauline, ich sage nichts mehr ... Sie müssen es aber doch wissen. Das wird am Ende zu bunt, wenn man so ausgenommen wird ... Nein, nein, ich sage nichts mehr, beruhigen Sie sich.«
    Schweigen entstand. Das Hausmädchen löschte die im Herd gebliebene Glut. Doch sie konnte nicht umhin, noch zu murmeln:
    »Ich weiß, warum sie anschwillt: Ihre Bosheit ist ihr in die Knie gefahren.«
    Pauline, die mit verworrenem und vor Kummer schwerem Sinn auf eine der Küchenfliesen starrte, sah auf. Warum sagte Véronique das, war die Schwellung wiedergekommen? Verlegen mußte Véronique ihrem Versprechen zu schweigen untreu werden. Sie erlaubte sich wohl, über ihre Herrin zu urteilen, doch sie gehorchte ihr. Nun ja, beide Beine wären seit der Nacht befallen, und man sollte es nicht vor Herrn Lazare wiederholen. Während das Hausmädchen diese Einzelheiten berichtete, veränderte sich Paulines Gesicht, Besorgnis verscheuchte aus ihm die düstere Niedergeschlagenheit. Trotz allem, was sie soeben erfahren hatte, erschrak sie über ein Symptom, von dem sie wußte, daß es sehr bedenklich war.
    »Aber man kann sie so nicht liegenlassen«, sagte sie und erhob sich. »Sie ist in Gefahr.«
    »In Gefahr, jawohl!« rief Véronique grob. »So sieht sie nicht gerade aus, jedenfalls denkt sie kaum daran, dazu ist sie viel zu sehr damit beschäftigt, auf die anderen zu spucken und sich wie ein Pascha in ihrem Bett zu fläzen ... Übrigens schläft sie jetzt, man muß bis morgen warten. Das ist gerade der Tag, an dem der Doktor nach Bonneville kommt.«
    Am nächsten Morgen war es unmöglich, Lazare den Zustand seiner Mutter noch länger zu verheimlichen. Die ganze Nacht über hatte Pauline gelauscht, war von Stunde zu Stunde aufgewacht, ständig in dem Glauben, Klagelaute durch den Fußboden hindurch zu vernehmen. Gegen Morgen war sie dann in einen so tiefen Schlaf gesunken, daß es neun Uhr schlug, als das Geräusch einer Tür sie hatte auffahren lassen. Als sie, nachdem sie sich eilig angekleidet hatte, hinunterging, um sich zu erkundigen, begegnete sie auf dem Treppenabsatz des ersten Stockwerks ausgerechnet Lazare, der aus dem Zimmer der Kranken kam. Die Schwellung war bis zum Bauch vorgeschritten, Véronique hatte sich entschlossen, den jungen Mann zu verständigen.
    »Nun?« fragte Pauline.
    Lazare, dessen Gesicht verzerrt war, antwortete zunächst nicht. Mit einer ihm eigenen Bewegung faßte er sein Kinn mit seinen zuckenden Fingern. Und als er endlich sprach, war seine erste Äußerung der kaum gestammelte Satz:
    »Sie ist verloren.«
    Er ging mit einem Ausdruck der Verstörtheit zu sich hinauf. Pauline folgte ihm. Als sie in dem großen Zimmer des zweiten Stockwerks waren, das sie nicht wieder betreten hatte, seitdem sie ihn hier mit Louise überrascht hatte, schloß sie die Tür, versuchte sie, ihn zu beruhigen.
    »Sieh mal, du weißt ja nicht einmal, was sie hat. Warte doch wenigstens den Arzt ab ... Sie ist sehr kräftig, es ist immer noch Hoffnung.«
    Aber er blieb hartnäckig dabei, von einer plötzlichen Überzeugung ins Herz getroffen.
    »Sie ist verloren, sie ist verloren.«
    Das war ein unerwarteter Schlag, der ihn niederschmetterte. Beim Aufstehen hatte er, gähnend vor Langeweile, wie gewöhnlich das Meer betrachtet und sich über die blödsinnige Leere des Daseins beklagt. Dann, als seine Mutter sich bis zu den Knien entblößte, hatte ihn der

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