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Die Frucht des Bösen

Die Frucht des Bösen

Titel: Die Frucht des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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darauf geeinigt, dass
High School Musical
das Coolste überhaupt wäre, und jetzt wären sie wieder Freundinnen. In zwei Wochen fängt der Ballettunterricht an, und sie ist schon ganz gespannt auf den ersten Schultag. Sie braucht eine Schuluniform und will wissen, ob wir sie zusammen einkaufen gehen. Gern, wenn ich mir die Zeit dafür nehmen kann, antworte ich. Ihr Blick verrät, dass sie nicht damit rechnet.
    Die Kellnerin räumt den Tisch ab. Chelsea strahlt bei dem Gedanken an Eiscreme. Sie entscheidet sich für den Kindereisbecher. Ich verzichte auf Nachtisch, obwohl mir ein paar Pfunde mehr guttäten. Vielleicht sollte ich eine Eisdiät machen. Ein Liter am Tag, und ich hätte bald mein Idealgewicht. Nur ist da niemand, der Wert darauf legen würde.
    Selbstmitleid führt zu nichts. Ich strecke den Arm aus und halte wieder die Hand meiner Tochter. An diesem Abend lässt sie es zu. Ob auch nächste Woche, bleibt abzuwarten.
    Sie wird eine zweite Mutter bekommen, eine Frau, die ich nicht kenne. Ich versuche, sie mir vorzustellen, und bleibe bei einer Blondine Ende zwanzig hängen. Jünger, hübscher, knackiger als ich. Sie wird Chelsea beim Einkauf der Schuluniform helfen, ihr vielleicht Zöpfe flechten. Sie wird die Erste sein, die von Chelsea das Neueste aus der Schule erfährt, und wahrscheinlich wird sie ihr Ratschläge geben, wie mit zickigen Freundinnen umzugehen ist. Es wird sich ein Vertrauensverhältnis zwischen ihnen entwickeln. Und eines Tages wird Chelsea kein Interesse mehr daran haben, mit mir im Friendly’s zu Abend zu essen.
    Ich würde mich gern bitter beklagen, aber wozu? Chelsea ist damit beschäftigt, heranzuwachsen und voranzukommen. Meine Aufgabe ist es loszulassen. Ich war nur nicht darauf vorbereitet, schon so früh loslassen zu müssen.
    Michael betritt das Restaurant. Er bleibt vor uns stehen und sagt kein Wort. Wir verstehen den Hinweis. Ich lege Geld auf den Tisch und packe meine Sachen. Als ich mich hinterm Tisch hervorgequetscht habe, ist er schon an der Tür. Chelsea bummelt hinterher.
    Ich schließe zu ihr auf, und gemeinsam stoßen wir die Glastür auf. Es regnet in Strömen. Wir zögern eine Weile unter der Markise und sammeln uns für den Sprint zu den Autos. Michael nutzt die Gelegenheit und sagt: «Chelsea hat dir bestimmt gesagt, dass Melinda und ich heiraten werden.»
    «Glückwunsch», entgegne ich und frage gehässig nach: «Wann soll ich mit Evan vorbeikommen, damit ihm ein Anzug angepasst wird?»
    Der Blick, den er mir zuwirft, hätte eine schwächere Frau vernichtet. Ich revanchiere mich und warne ihn, unser erstgeborenes Kind zu verleugnen, das immer noch fragt, wann sein Vater endlich zurückkommt.
    «Ich habe dich nicht verlassen», zischt mir Michael zu, so leise, dass Chelsea ihn nicht hören kann. «Du hast mich verlassen, in dem Augenblick nämlich, als du beschlossen hast, seine Bedürfnisse über die aller anderen zu stellen.»
    «Er ist ein Kind –»
    «Das professioneller Pflege bedarf.»
    «Du meinst einer Unterbringung im Heim.»
    «Es gibt auch andere Möglichkeiten, ihm zu helfen. Aber die ziehst du nicht einmal in Erwägung. Weißt es ja besser. Du glaubst, die Einzige zu sein, die ihm helfen kann. Chelsea und ich sind dir egal. Du kannst uns nicht verübeln, dass wir getrennte Wege gehen.»
    Und ob ich das kann
, will ich erwidern.
    Er gibt Chelsea mit einem Wink zu verstehen, dass es Zeit zu gehen ist. Sie hat den Kopf gesenkt und zeigt an ihrer Haltung, wie ihr zumute ist. Obwohl sie uns nicht hören kann, weiß sie, dass wir streiten, und das quält sie.
    Ich nehme meine Tochter in den Arm, spüre ihr seidenes Haar und die Leichtigkeit ihres schlanken Körpers, atme den Duft von Kokosnuss-Shampoo und Buntstiften ein und drücke sie fest an mich, denn diese Umarmung muss wieder für eine Woche reichen. Dann lasse ich sie los.
    Die beiden rennen auf den Parkplatz zu. Wenig später sitzen sie in Michaels BMW . Die Rückleuchten glühen rot durch dunkle Regenschleier.
     
    Ich weiß nicht, wie sich für einen Vater die Trennung von seinem Sohn anfühlt. Ich weiß nur, was eine Mutter empfindet, wenn sie sich von ihrer Tochter trennt. Mir ist, als würde mein Herz aus mir herausfahren und ein großes Loch in der Brust zurücklassen.

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    11 . Kapitel
    D. D. hatte noch nie eine geschlossene Psychiatrie von innen gesehen und war sich nicht sicher, ob sie das überhaupt wollte. Aber von allen Mitgliedern der Harrington-Familie gab ihr

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