Die Frucht des Bösen
bleiben. Sie hatten es durch die verschlossenen Türen ins Foyer geschafft, dann eine weitere Schleuse passiert und den Aufnahmebereich erreicht. Nun warteten sie auf Schwester Danielle Burton, die Ozzie Harringtons Patientenakte holen wollte und sie im Aufenthaltsbereich zurückgelassen hatte.
Auf der linken Seite, da wo gegessen, gebastelt und gespielt wurde, standen ein halbes Dutzend massive Holztische. Die rechte Hälfte war offenbar eine Art Fernseh-Lounge mit mehreren bequemen Sofas vor einem Bildschirm.
Hinter einem der Sofas sah D. D. einen dunklen Haarschopf auftauchen, gefolgt von zwei weiteren. Die drei Jungen entdeckten sie und kletterten über das Möbelstück.
«Hola. ¿Cómo está?»,
fragte der kleinste von ihnen. Er kam auf sie zugelaufen und blieb mit seinen nackten Füßen unmittelbar vor ihren schwarzen, spitz zulaufenden Schuhen stehen. Seine Miene zeugte von ernstem Interesse. Die beiden anderen stellten sich hinter ihn. D. D. schätzte den kleinen Anführer auf sieben oder acht. Er hatte seine Jeans bis über die Knie hochgekrempelt und rollte nun das rechte Hosenbein immer wieder rauf und runter.
«Bueno»,
antwortete D. D.
«¿Y tú?»
«
Que bueno
. Haben Sie Lucy gefunden?
¿Dónde está?
»
D. D. wusste nicht, wen er meinte, und warf einen Blick auf Alex. Der zuckte mit den Achseln.
In diesem Moment kam Danielle Burton zur Tür herein. Alle drei Jungen wandten sich ihr zu. Der Kleine zupfte am Saum ihres T-Shirts.
«¿Dónde está Lucy? Dónde, dónde?»
«Está bien, está bien»,
beruhigte die Schwester. Sie wuschelte seine pechschwarzen Haare. «
Lucy está bien. Tranquilo
, okay?»
«Okay», sagte der Kleine.
«Das ist Jimmy», stellte sie den Jungen vor. «Und das sind seine Komplizen Benny und Jorge. Wenn Sie einmal richtig toll mit Matchbox-Autos spielen wollen, dann halten Sie sich an diese drei.»
Alex ging vor Jimmy in die Hocke und fragte: «Welches Auto hast du am liebsten?»
«Den Monster-Truck», antwortete Jimmy, streckte beide Arme aus und rannte los, im weiten Radius um die Tische herum, wobei er mehr wie ein Flugzeug als ein Auto aussah. Benny und Jorge aber schienen von seiner Pantomime überzeugt zu sein und folgten seinem Beispiel.
«Langsam», rief ihnen Danielle nach.
Die Jungen bremsten ab, womit die Schwester zufrieden zu sein schien. Sie führte D. D. und Alex nach links in einen schmaleren Gang, der zu einer Reihe von Klassenzimmern führte.
Danielle fand einen leeren Raum und bat die beiden einzutreten. D. D. und Alex hatten sich zunächst an Stationsleiterin Karen Rober gewandt, die allerdings kurz angebunden gewesen war und ihnen empfohlen hatte, sich mit Schwester Danielle zu unterhalten. Wie auf ein Stichwort war diese gleich darauf zur Tür reingekommen. Als sie den Ausweis und die Polizeimarke von D. D. gesehen hatte, waren ihr für einen kurzen Moment die Gesichtszüge entglitten. D. D. glaubte, Angst darin zu erkennen, doch gleich darauf war sie wieder wie ausgewechselt und zugeknöpft.
Wenn Karen ihrer Kollegin nicht ausdrücklich gesagt hätte, dass sie den Detectives Auskunft geben soll, wäre die junge Schwester wohl kaum zu einem Gespräch mit ihnen bereit gewesen. Nun zog Danielle einen Stuhl unterm Tisch hervor, legte die Akte auf den Tisch und setzte sich, um gleich darauf wieder aufzustehen.
«Ich brauche einen Schluck Wasser», sagte sie. «Wollen Sie auch etwas zu trinken?»
D. D. und Alex verneinten und nahmen Platz. Danielle huschte aus der Tür hinaus.
«Der erste Eindruck?», flüsterte D. D.
«Ziemlich zappelig», antwortete Alex.
«Ist das nicht jeder, der von der Polizei vernommen wird?»
«Nicht
so z
appelig», entgegnete er.
«Da haben Sie wohl recht.»
Danielle kehrte mit einem Pappbecher zurück, in dessen Deckel ein Strohhalm steckte. Sie setzte sich den Detectives gegenüber und schien so weit wie möglich Abstand nehmen zu wollen. Sie war jünger, als von D. D. erwartet, athletisch gebaut und hatte die dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Hübsch, aber sichtlich angespannt unter den gegebenen Umständen.
«Sind Sie sicher, dass Sie nichts möchten?», fragte die Schwester und zupfte an der Akte, die vor ihr lag.
«Ja», antwortete D. D. «Viel zu tun heute Nachmittag?»
«Nicht mehr als sonst.»
«Wie viele Kinder sind auf Ihrer Station?», fragte D. D., um die Situation etwas aufzulockern. Sie war neugierig auf Danielle und wollte in Erfahrung bringen, warum die Schwester so
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