Die Früchte der Unsterblichkeit
ersten Flairs entstanden, als die Magie in einer drei Tage währenden Welle Tod und Unheil über die Welt gebracht hatte. Mit jeder neuen Magiewelle hatten sich die Scharten tiefer in die Landschaft eingegraben.
Ganz im Süden verbanden sie sich zu einer einzigen tiefen Felsspalte, die dann in die Honeycomb-Schlucht überging, einem bösartigen magischen Ort. Die Straße selbst diente dummen jugendlichen Kriminellen als Dragster-Rennstrecke. Und irgendwo mittendrin steckte mein Grün-Fünf. Hoffentlich war der Gestaltwandler noch am Leben und verarztete nur einen versengten Schwanz.
Atlanta beherbergte die größte Gestaltwandlerpopulation im gesamten Land. Das Rudel, wie es sich nannte, zählte über eintausendfünfhundert Mitglieder. Entsprechend ihrer Tierform unterteilten sie sich in sieben Clans. Jeder Clan wurde von einem Alphapärchen angeführt. Aus diesen vierzehn Alphas rekrutierte sich der Rudelrat, dessen Vorsitz Curran, der Herr der Bestien von Atlanta, innehatte. Curran besaß unglaubliche Macht und Einfluss. Er war
das
Alphatier.
Um das Rudel zu verstehen, musste man die Gestaltwandler verstehen. Am Scheideweg zwischen Tier und Mensch konnten sie sich keiner Lebensform ganz hingeben. Erlagen sie der tierischen Seite, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie von ihren Hormonen in den Wahnsinn getrieben wurden. Dann weideten sie sich an Gewalt und Perversionen, gierten nach Menschenfleisch, mordeten und vergewaltigten, bis Leute wie ich sie wie tollwütige Hunde niederstreckten. Diese gestörten Gestaltwandler hießen Loups und wurden auf der Stelle getötet.
Um menschlich zu bleiben, musste ein Gestaltwandler strengen mentalen Regeln folgen, die in einem Regelwerk, dem Kode, niedergeschrieben waren und vor allem Disziplin, Loyalität, Gehorsam und Selbstbeherrschung forderten. Für einen Gestaltwandler gab es kein höheres Gut, als dem Rudel zu dienen, doch Curran und der Rudelrat forderten noch mehr als Gehorsam. Alle Gestaltwandler wurden in Kampfsportarten unterwiesen, sowohl einzeln als auch in Gruppen. Sie mussten lernen, ihre Aggressionen zu kanalisieren, Silberkugeln zu ertragen und zu wissen, wie man mit Stich-, Hieb- und Schusswaffen umging. Wenn man ihre große Anzahl, strikte Disziplin und hervorragende Organisation in Betracht zog, glich die Präsenz des Rudels in der Stadt einer großen Killertruppe. Es war, als würde man Tür an Tür mit eineinhalbtausend gut ausgebildeten Berufskillern wohnen, die zudem noch mit besseren Sinnen, übernatürlicher Stärke und der Fähigkeit, sich extrem schnell von jeder Verletzung zu erholen, ausgestattet waren.
Für den Orden war die Anwesenheit der Gestaltwandler äußerst beunruhigend. Die Gestaltwandler trauten ihrerseits dem Orden nicht über den Weg, und dazu hatten sie auch allen Grund, denn aus Sicht der Ritter steckte in jedem Gestaltwandler ein Monster, das jederzeit hervorbrechen konnte. Bislang war es Kate als Einziger aus dem Orden gelungen, sich das Vertrauen der Gestaltwandler zu verdienen, und das Rudel zog es vor, alle Kontakte über sie laufen zu lassen. Einem Gestaltwandler aus der Patsche zu helfen, würde meine Stellung innerhalb beider Organisationen deutlich verbessern. Zumindest auf dem Papier.
Ich zog die Handbremse an und stellte mich in den Wind. Meine Nase brannte von den Abgasen des Jeeps, also fiel es mir schwer, andere Gerüche wahrzunehmen. Wahrscheinlich hatte Teddy Jo bei der Größe des Hundes mächtig übertrieben, das taten Augenzeugen meistens, doch selbst wenn dieses Vieh tatsächlich die Ausmaße eines »ganz normalen Hauses« hatte, würde es schwer werden, es in diesem Labyrinth aus Schluchten zu finden. Die Straße folgte keinem geraden Verlauf, sie machte scharfe Kurven und verzweigte sich. Die Hälfte der Abzweigungen führte in die Pampa, die andere Hälfte schließlich zurück zum Buzzard Highway.
Am Rande einer Schlucht hockte ich mich hin und ließ mir vom Wind eine Geschichte erzählen. Der widerlich süßliche Geruch von verwesendem Fleisch stieg mir in die Nase, vermischt mit dem leicht öligen Gestank von Aasgeiern, die sich daran labten. Der Moschusgeruch zweier Wildkatzen, die offenbar Freude daran hatten, über die Reviermarkierung des Rivalen zu spritzen. Ein scharfer, stechender Gestank von einem weit entfernten Stinktier. Etwas wie brennende Streichhölzer.
Ich stutzte. Schwefel. Und zwar gar nicht wenig. Das war der einzige Geruch, der hier in der Wildnis nichts zu suchen hatte. Zurück
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