Die fünf Leben der Daisy West
konnte, aber er hat tatsächlich ums Überleben gekämpft.
»Hör mal«, breche ich dann das Schweigen, »kurz bevor das alles in Hayes passiert ist, wollte ich dir etwas sagen. Ehrlich gesagt genau in dem Moment, als du auf die andere Leitung umgestellt hast.«
»Und was war es?«, fragt Matt leise.
Ich hole tief Luft und beschließe, es zu wagen.
»Ich wollte dir sagen, dass ich dich liebe.«
Matt atmet am anderen Ende der Leitung kurz aus.
»Und wenn du es getan hättest«, antwortet Matt und klingt plötzlich selbstbewusst und sexy, »hätte ich geantwortet, dass ich dich auch liebe.«
Nach zwei Wochen und einem Tag holt mich Mason bei Megan und ihrer Mutter wieder ab und teilt mir mit, dass wir am nächsten Tag fliegen – nach Omaha. Vor Aufregung mache ich Luftsprünge, bis er mich auf den Boden der Tatsachen zurückholt.
»Wir werden noch einmal umgesiedelt«, sagt er.
»Warum denn das?!«, frage ich erschrocken. »Gott und Cassie sitzen in Untersuchungshaft. Und in Omaha denken alle, ich fehle wegen einer Krankheit.«
»Nicht alle«, entgegnet Mason und sieht mich eindringlich an.
Überrascht sehe ich ihn an.
»Der Leiter der Behörde ist darüber informiert worden, dass Matt derjenige war, der den Notruf getätigt hat ...«, erklärt er, »... und somit auch wusste, dass du nahezu tot warst.«
»Aber Matt weiß, dass ich am Leben bin«, protestiere ich. »Er weiß auch von dem Programm«, gestehe ich.
»Mir ist das sehr wohl bewusst, aber dem Behördenleiter nicht«, erwidert Mason.
»Hast du ihm gegenüber gelogen?«
»Natürlich habe ich gelogen. Ich musste dich beschützen.«
»Aber Mason, ich bin doch nicht einmal mit Revive wiederbelebt worden«, versuche ich es weiter. »Ich kann in die Schule zurückkehren und allen sagen, dass ich nach einem Bienenangriff auf wundersame Weise von der normalen modernen Medizin gerettet worden bin. Das wird alle tief beeindrucken.«
»Genau das befürchtet der Behördenleiter«, sagt Mason.
»Was?«
»Er hat Angst, dass die Leute auf dich aufmerksam werden«, erläutert er. »Wenn du zurückkehrst und sagst, dass du nach dem Angriff eines Bienenschwarms gerettet wurdest, werden womöglich die Nachrichten über dich berichten und die Menschen fangen an, deine Vergangenheit genauer zu untersuchen. Die Gefahr besteht, dass alles ans Licht kommt.«
Mason sieht mich mit müden Augen an.
»Daisy, ich weiß, dass es dir nicht gefällt, aber es ist besser so.«
Ich spüre Wut in mir aufsteigen, als er auch schon weiterredet.
»Es ist besser, wenn wir uns unauffällig vom Acker machen.«
»Für wen besser?«, hake ich nach und bin kurz davor zu platzen. Doch dann, mit wenigen, einfachen Worten, ändert Mason alles.
»Matt«, antwortet er. »Es ist besser für Matt.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
43
Das Haus in Omaha ist mir bereits fremd. Mein Kopf weiß wahrscheinlich, dass die Zeit zu gehen gekommen ist. Mein Herz möchte dieses Mal allerdings bleiben.
Mason gibt mir drei Stunden, um die wichtigsten Dinge zu packen. Das Reinigungs-Team wird den Rest hinterherschicken. Eine halbe Stunde verbringe ich damit, halbherzig Kleidung und Bücher in den Koffer zu werfen. Dann schreibe ich Matt eine SMS und bitte ihn, mich an der nächsten Ecke abzuholen. Ich wuchte den Koffer die Treppe hinunter und lasse ihn am Eingang stehen, damit Mason ihn zum Wagen tragen kann. Als ich gehe, ist er im Keller, was mir nur recht ist: Matt jetzt nicht zu sehen, kommt ohnehin nicht in Frage, ganz egal, was Mason davon hält. Ich schlüpfe aus der Eingangstür in die kühle Nachmittagsluft und knöpfe meine Jacke zu. Die winterliche Frische überrascht mich. Ich warte an der nächsten Ecke. Kaum blase mir in die Hände, um sie zu wärmen, fährt Matt auch schon vor.
Ich steige in sein Auto und schließe die Tür. Und für einen Moment hört die Welt auf, sich zu drehen. Es ist wie die Unterbrechung allen Handelns, wie die Pause zwischen zwei Songs auf meiner Playlist. Dennoch weiß ich, dass etwas geschehen wird.
Und dann geschieht es.
Matt legt die Hände um meine Wangen und hält mein Gesicht. Er sieht mir tiefer in die Augen als je zuvor. Ich bin so fasziniert, dass ich nicht einmal dann wegschauen könnte, wenn ich es wollte. Einen Moment verharrt er in dieser Position. Und dann ...
»Du darfst nicht sterben«, sagt er leise, seine Stimme klingt ein wenig brüchig.
»Nein, das werde ich nicht«, verspreche ich und
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