Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Tatsache meinem Gedächtnis.“ In der Tiefe seiner antiquen
Augen glitzerte es.
„Und Sie haben mir immer noch
nicht gesagt, was Sie eigentlich wollen.“
„Das ist einfach. Ich will einen
Deal. Sie sollen mich überzeugen, dass die Dschinn prinzipiell nicht unsere
Feinde sind und wir eine Chance auf ein friedliches Zusammenleben haben. Dann
werde ich Ihnen helfen, das Schiff auf Ihre Seite zu bringen. Ich habe große
Autorität unter den Crew und gleichzeitig gute Verbindungen zu den
Passagiergilden, den Bürgermeistern, zu Newton –“, ein Lächeln zuckte über sein
Gesicht, „und zu allen, die in den Städten etwas zu sagen haben. Ich werde
Ihnen helfen, Ihren öffentlichen Auftritt vorzubereiten und Ihnen einen Sitzungssaal
voller freundlich gestimmter VIP’s liefern, die Ihren Argumenten lauschen. Also,
was sind Ihre Argumente?“
Dschinn hob die Augenbrauen. „Ich
nehme an, dass Sie auch darüber bestens informiert sind“, sagte sie. „Aber ich
kann Ihnen gerne eine Kurzfassung geben: Die Menschen wollen von uns neuen
Lebensraum und ein Friedensversprechen. Wir wollen von den Menschen neue Geninformationen
und ebenfalls ein Friedensversprechen. Das heißt, beide Seiten haben eine
kostbare Handelsware und kein Interesse daran, einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Oh, und Sie wollen Randori ausbooten. Wenn Sie derjenige sind, der mich
den Passagieren vorstellt und nicht die Kapitänin, wird Ihnen das eine Menge
Pluspunkte einbringen. Auch eine demokratische Volksherrschaft braucht einen
Führer, nicht wahr?“
„Sie lernen schnell.“
„Anpassung ist meine Spezialität.“
Lazarus schmunzelte und warf einen
Blick auf ihren erneut veränderten Körper. „Ihr jetziges Aussehen gefällt mir
übrigens viel besser. Lassen Sie mich sehen, was Sie sonst noch im Kleiderschrank
haben. Wir wollen doch beide, dass dieser Auftritt ein Erfolg wird.“
„Ich will Ihnen eines meiner Leben
erzählen.“
Dschinn stand in der Mitte des
Auditoriums und schaute auf die Menge. Es mussten Tausende sein, die sich in
den steil aufsteigenden Sitzreihen drängten. Lazarus hatte ganze Arbeit geleistet
und jeden ranghohen Crew und Passagier herbeigeschafft, von dem er wusste. Die
unteren Plätze waren gefüllt mit Gala-Uniformen in Blau, Rot und Gold, darüber
befand sich der bunte Flickenteppich der Gildenkostüme. Aufgeregtes
Stimmengewirr brandete Dschinn entgegen, die alleine am Rednerpult des Amphitheaters
stand. Sie musste sich zwingen, unter all den fremden Blicken nicht in die
Unsichtbarkeit zu flüchten. Sie hasste es, im Mittelpunkt zu stehen. Aber sie überwand
sich dazu, ruhig und scheinbar unbeteiligt an ihrem Platz zu bleiben und sich
anstarren zu lassen. Der Hüllenkörper um sie herum diente ihr als eine
Schutzwand, an der sie die neugierigen Blicke abprallen ließ.
Sie hatte zusammen mit Lazarus ein
Geschöpf entworfen, das menschlich vertraut und gleichzeitig exotisch wirkte,
das eindrucksvoll aber nicht bedrohlich erschien. Das Mädchen mit dem weißen
Kleid besaß nun eine chamäleongeschuppte Haut. Leuchtende Farben ließen ihren
Körper unter dem dünnen Stoff erstrahlen. Goldene Wirbel kreisten über ihre
Wangen, liefen mit schwungvollem Pinselstrich den Hals hinunter und durchzogen
das Samtblau ihrer Schultern. Sie sah aus wie ein lebendiges, sich ständig
veränderndes Gemälde.
Bladerunners Rückensegel wuchs
silbrig weiß aus dem Kleid heraus, schmiegte sich an ihre Wirbelsäule und
klappte sich wie ein Fächer auf, wenn sie ihre Worte unterstreichen wollte. Ihr
Gesicht hatte sich wenig verändert. Sie betrachtete die Versammelten mit
Caravans warmen Augen, doch die Züge unter der Chamäleonhaut waren strenger,
und ihr langes Haar bewegte sich züngelnd wie in einem lautlosen Sturm.
Dschinn hob die Stimme und begann
mit der Ansprache, die sie zusammen mit Lazarus eingeübt hatte. Einen ersten
Auftritt in den Strom-Kurznachrichten hatte sie bereits hinter sich, nun kam
der schwierige Teil. Sie musste die Menschen dazu bringen, das instinktive Misstrauen
gegen alles Fremde zu vergessen und die Wandler von Archensee als Verbündete zu
betrachten. Es gelang ihr, einen warmen, persönlichen Ton in ihre Stimme zu
legen, so als würde sie jedem der Zuhörer einzeln ihre Geschichte erzählen.
Witwe
„Von meinen vielen Inkarnationen hat
mich eine besonders berührt, die der menschlichen Lebensweise ähnlich war.
Damals hatte ich mich einem Volk von Ahnen angeschlossen, das nach
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