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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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ein afrikanischer Beamter in
nüchterner grauer Kleidung, der beim Sprechen keine Miene verzog.
    „Fremdes Schiff, Sie befinden sich
in unserem Hoheitsgebiet. Der Göttliche Regent der Arche 16 gibt Ihnen die
Chance zu verhandeln, da unsere Völker vom selben Blut abstammen. Sie haben
zwei Stunden Zeit, sich ihm im Thronsaal zu unterwerfen.“ Das war alles. Die
Übertragung endete abrupt.
    „Charmant“, murmelte Lazarus. „Ich
kann mich vor Freude kaum halten, nach Jahrhunderten endlich anderen Menschen
zu begegnen. Ob das Zeremoniell wohl verlangt, dass wir uns vor dem Göttlichen
Regenten auf den Boden werfen und seine Schuhsohlen küssen?“
    Randori lachte nervös. „Bei den
Waffen, die sie auf dieses Schiff gerichtet haben, werde ich das ganz bestimmt
tun. Du betrachtest dich bereits als Mitglied dieser diplomatischen Mission,
ja? Wie kommst du darauf, dass ich dir nicht lieber eine Schneezelle in Alaska
reserviere?“
    Lazarus erhob sich aus dem
Korbstuhl. Seine Hände waren noch immer etwas zitterig, aber er hatte sein
gewöhnliches ironisches Flair zurückgewonnen. „Meine Liebe, du brauchst mich.
In aller Bescheidenheit gesagt bin ich der geschickteste Stratege, den dieses
Schiff je hervorgebracht hat.“
    Randori knurrte. „Erinnere mich
bloß nicht zu sehr daran.“
     
    Die Kapitänin hielt die Gruppe klein.
Understatement schien im Augenblick die beste Verhandlungstaktik zu sein. Wenn
man den Gegner nicht beeindrucken konnte, dann war es am sichersten,
unterschätzt zu werden. Als Randori aus ihrem privaten Flieger stieg, wurde sie
nur von Lazarus, Dschinn und einem Bodyguard begleitet. Crew Graph diente in
Wirklichkeit weniger als Leibwächter, sondern als lebende Filmkamera. Er hatte
ein perfektes Gedächtnis und würde alles für spätere Analysen in seinem Gehirn
speichern.
    Im Hangar erwartete sie niemand
außer einer mechanischen Stimme, die ihnen befahl, in den gegenüberliegenden
Fahrstuhl zu steigen. Randori hatte zumindest mit einer Wachmannschaft
gerechnet, die Lazarus seinen Parade-Degen abnehmen würde. Aber in einer
kriegerischen Gesellschaft wurde vielleicht erwartet, dass ein Mann von hohem
Rang bewaffnet war.
    Sie betraten den Aufzug, und die
Kabine fiel nach unten, auf den Mittelpunkt des Schiffes zu. Die Wände des
Lifts bestanden aus einem durchsichtigen Material, das an Rauchglas erinnerte.
Während sie in die Tiefe glitten, war gut zu erkennen, dass diese Arche
tatsächlich in Schichten gebaut war wie ein Bienenstock. Es gab Hunderte von
übereinanderliegenden Waben, massives Metall und leerer Raum wechselten
einander ab. Randori zählte ungefähr vierhundert Etagen, bis sich die Kabine
verlangsamte. Die Tür schob sich auf. Voll nervöser Erwartung traten sie in den
Thronsaal.
    Der Raum war überraschend
schlicht. Er hatte die Form eines Würfels und war aus demselben Material
hergestellt wie der Fahrstuhl. Durch die durchsichtigen Scheiben fiel der Blick
zu allen Seiten in das Schiffsinnere hinein, riesige, einschüchternde
Dimensionen. Eine protzige Ornamentik war hier nicht nötig. Das Panorama allein
erzeugte das Gefühl, klein und unbedeutend zu sein.
    Der Thronsaal schwebte frei in der
Luft. Er war der Kern, der Mittelpunkt der Arche und wurde vom übrigen Schiff
wie von einer Hohlkugel umschlossen. Gigantische Versorgungsschächte, die von
hier bis zur Außenhülle reichten, waren durch die Metallschichten geschnitten
worden. Direkt unter Randoris Füßen fiel der Blick in eine senkrechte Kluft,
die sich kilometertief in der Dunkelheit verlor.
    Sie zwang ihre Augen von der Tiefe
fort und starrte seitlich auf die Glaswände, die von einem Elektrosturm umtost
wurden. Ein Ring aus weißglühender Energie umschloss den Thronsaal. Der Würfel
war Zentrum eines Feldes von Blitzentladungen, die zischend über die Wände
züngelten und nach einem Weg ins Innere suchten. Randori fühlte, wie sich
sämtliche Härchen auf ihren Armen aufrichteten. Nicht um alles in der Welt
hätte sie eine der Wände berührt.
    Der Raum selbst war leer, bis auf
den Herrschersitz. Er war aus dunklem Holz geschnitzt und besaß eine drei Meter
hohe Lehne, in die ein durchbrochenes Muster aus Tieren, Pflanzen und Geistermasken
hineingearbeitet war. Auf dem Thron saß bewegungslos der Regent: schwarz,
hochgewachsen und beeindruckend, mit einem Leopardenfell um die Schultern und
einem Zeremonienspeer in der Hand. Randori musste sich anstrengen, um nicht von
irrationaler Ehrfurcht überwältigt zu

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