Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)
Weile, bis er diese fremdartige Vorstellung verarbeitet
hatte.
Stattdessen meldete sich Lazarus
zu Wort. „Das dauert alles ziemlich lange, nicht wahr? Die Säule schluckt die
Informationen, speichert und kopiert sie, und schickt dann ein einziges Exemplar
der Botschaft weiter. So wird die Nachricht von Turm zu Turm gereicht – bis uns
die Zeit ausgeht. Wie viele Ahnen können in zwei oder drei Tagen informiert
werden?“
„Ein paar Hundert. Ich gebe zu,
dieses Nachrichtensystem ist nicht ideal, aber etwas Schnelleres haben wir
nicht.“
Lazarus nickte. „Nun ja, wir
müssen mit dem auskommen, was uns zur Verfügung steht. Immerhin begreife ich
jetzt, wie Ihre Leute zusammenarbeiten können, ohne sich als Volk zu betrachten.
Diese Leuchtfisch-Botschaften gehen immer nur in eine Richtung, nicht wahr? Sie
ermöglichen kein Gespräch miteinander. Der einzelne Ahne empfängt eine
Nachricht von einem unbekannten Absender, erfährt von den außerirdischen
Schiffen am Himmel, und dann entscheidet er ganz allein, wie er darauf reagiert.“
„Richtig, und den meisten wird es
gleichgültig sein, dass Nkosi in seinem Brennofen Dschinnseelen verfeuert. Ein
Mensch würde in einer ähnlichen Situation sofort denken: ‚Eine fremde Rasse
foltert meine Leute, ich muss ihnen helfen.’ Aber die Ahnen kennen keine solche
Gruppensolidarität und werden nur handeln, falls sie sich selbst betroffen
fühlen. Deshalb fürchte ich, dass sich höchstens ein paar Dutzend einfinden
werden, um an einer Rettungsaktion teilzunehmen. Das sollte aber genügen, um
Nkosi auszuschalten.“
„Einige Dutzend wütende
Gestaltwandler im Shuttle reichen mir völlig“, pflichtete Lazarus ihr trocken bei.
Der Flug wurde rauer, die oberste
Atmosphärenschicht war erreicht. Dschinn setzte sich neben Serail in ein
Ecksofa, um nicht von den Füßen geschüttelt zu werden. Ihr Getrauter rückte zur
Seite, um ihr Platz zu machen. Er hatte inzwischen eine ganze Kanne mit Blautee
vor sich stehen. Dschinn seufzte innerlich. Wahrscheinlich war es zu viel
verlangt, dass er diese Situation ohne eine leichte Ersatzdroge überstand.
„Willst du auch?“, bot Serail an
und hob ihr seine Tasse entgegen.
„Nein, im Augenblick nicht.“
Es ergab sich ein längeres
Schweigen. Dann platze Serail heraus: „Was hast du damit gemeint, Caravans
Kernzellen kommen hoffentlich zu dir zurück?“
„Darüber wollte ich noch mit dir
reden.“
„Oh, gut“, sagte Serail sarkastisch.
„Ich habe meinen Getrauten schon zweimal in diesem Säulenwald verloren. Wenn
mir das jetzt ein drittes Mal passiert, suche ich mir eine nette Krankenstation
und werde verrückt.“
„Mach es bitte nicht schwerer, als
es schon ist“, sagte Dschinn. Sie ließ die weibliche Gestalt in einer
Materiewolke verpuffen und verwandelte sich in Caravan. Serail saß steif an
seiner Seite, bis Dschinn die Hände seines Getrauten ergriff und mit festem
Griff umschlossen hielt. „Ich habe dich aus gutem Grund auf diesen Flug
mitgenommen. Du kannst dafür sorgen, dass Caravan ganz bestimmt zu mir
zurückkehrt. Ich brauche dich dort unten. Du musst mir helfen.“
Serail gab seine streitlustige
Haltung auf. Seine Schultern sackten herunter, und er murmelte: „Schon gut.“
„Ich würde die Kernzellen nicht
aus mir herausnehmen, wenn es eine anderen Methode gäbe, die Ahnen auf unsere
Seite zu ziehen“, beteuerte Dschinn. „Für mich ist das ein sehr unangenehmer
Eingriff. Um Caravans DNA mitsamt seinen Erinnerungen zu verschicken, muss ich
so viele Kernzellen abtrennen, dass dadurch meine Intelligenz geschwächt wird.
Hinterher werde ich kaum mehr Verstand besitzen als ein Tier.“ Er sah Serail
fest an. „Deshalb brauche ich dich. Du musst für mich denken. Ich werde
wahrscheinlich vergessen, warum ich mich im Säulenwald befinde, und dass ein
Teil von mir abgelöst herumschwimmt. Vielleicht will ich auf Nahrungssuche
gehen oder mich einem Schwarm anschließen. Jedenfalls könnte ich versuchen, von
dir fortzutauchen. Daran musst du mich unbedingt hindern! Das ist
überlebenswichtig, verstehst du? Falls ich mich zu weit entferne, wird mich der
Leuchtfisch nicht wiederfinden. Er wird ziellos herumirren und verloren gehen.
Dann behalte ich ein Loch in meiner Seele und bleibe ein halbintelligentes
Geschöpf. Du musst dafür sorgen, dass ich an meinem Platz warte, bis der Leuchtfisch
zurückkehrt. Sonst werde ich die Kernzellen mit Caravans Erinnerungen
tatsächlich niemals
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