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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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ich wenig mit Politik anfangen kann. Der Mann ist verschlagen und
völlig gewissenlos. Pass bloß auf, dass du kein Schierlingspulver in deinem
Chinatee vorfindest.“
    Randori zuckte mit den Schultern.
„Professionelles Risiko.“
    Es klopfte erneut an der Tür, und
Serail zog den Kopf zurück. Die Designer waren angekommen. Sie grüßten lässig
und kamen in bunten Grüppchen ins Zimmer geschlendert. Ihr Benehmen, ihre
Kleidung, ihr ganzer Lebensstil waren darauf berechnet, anders zu sein.
An Bord der Arche musste man schon ein bedeutendes künstlerisches Talent
besitzen, um zwischen all den Gildenkostümen aufzufallen. Die Designermeister
hatten damit kein Problem. Randori bemühte sich, nicht allzu beeindruckt
auszusehen, während sie auf ein Gewand starrte, das nur aus Licht und Paradiesvogelfedern
zu bestehen schien.
    Die Designer gehörten zu einer der
wenigen Berufsvereinigungen an Bord. Normalerweise schloss man sich einer Gilde
an, um seine Freizeit zu füllen. Man lebte eine Weile nach den Sitten der Jesuiten
oder Pompadour, bis man sich zu langweilen begann und eine neue Gilde-Persona
annahm. Die Designer aber wurden schon als Kinder nach ihrem Talent ausgesucht
und ausgebildet, sie blieben ihrer Aufgabe ein Leben lang treu. Es handelte
sich bei ihnen um eine Elite aus hochbegabten Künstlern, Programmierern und Chemikern.
Sie erschufen sowohl die Stromräume als auch sämtliche Objekte, die im
Angebotskatalog der Recycler enthalten waren: 2677 verschiedene Bettbezüge, 12085
Essensgerichte, 3720 Blumensorten (zwar nicht wirklich lebendig, aber dafür
unbegrenzt haltbar). Die Designer standen, was ihren Status und ihre Macht
anging, nur ein kleines Stück unter den Crew. Niemand konnte es sich leisten,
sie zu verärgern, nicht einmal die Kommandantin.
    „Ich mag Ihre Wohnung. Könnte mich
durchaus ein paar Tage und Nächte hier wohlfühlen“, meinte eine der
Künstlerinnen und musterte Randori flirtend. Sie trug ein Kleid, das wie ein
Wasserfall aus Perlenschnüren über ihre silbern gefärbte Haut fiel und bei
jeder Bewegung den nackten Körper darunter erahnen ließ. „Haben Sie schon
einmal daran gedacht, den Mahagoni-Fußboden gegen eine Lackplatte
auszutauschen?“
    „Nein, aber der Vorschlag klingt
durchaus attraktiv. Interessieren Sie sich für asiatische Architektur?“
    „Ich beschäftige mich gerade mit
Feng Shui. Ein faszinierendes Thema, es gibt allein vier verschiedene
Lehrtraditionen aus der Epoche des –“
    „Entschuldigen Sie“, sagte
Randori, bevor sie zu sehr in Small Talk verwickelt wurde, „aber inzwischen ist
Ihrer Delegation vollzählig. Die Pflicht ruft, und als Dienerin des Konfuzius
muss ich den Anforderungen meines Amtes gehorchen.“ Sie legte die Handflächen
vor der Brust zusammen und verbeugte sich. „Auch wenn es mich erfreuen würde,
Ihre Gegenwart länger zu genießen und zwischen den Kirschblüten der Schönheit
zu wandeln, wie das Haiku der Moshiri sagt.“ Sie schenkte der Designerin ein Lächeln
aus ihrem so jung wirkenden Sommersprossengesicht.
    „Andererseits passt Mahagoni zu
Ihrer wundervollen Haarfarbe“, sagte die Frau träumerisch und ließ ihr
Perlkleid offenfallen, während sie auf die Tür zum Gerichtssaal zuschritt. Randori
schaute ihr amüsiert hinterher. Sie wartete, bis alle Beteiligten den Nachbarraum
betreten hatten, dann folgte sie in würdevoller Haltung.
    Die beiden Parteien standen auf,
als sie hereinkam. Sie setzte sich auf den erhöhten Richterstuhl und musterte
die zweiunddreißig Anwesenden, die sich über den Runden Tisch hinweg mit
Blicken belauerten. Auf der einen Seite standen die Designermeister, auf der
anderen die RomSenatoren. Randori wandte sich zuerst den Caesaren zu und kam
ohne weitere Umschweife zur Sache. „Da Ihre Partei die beklagte ist, Kaiser,
haben Sie das Recht, als erster den Ablauf der Geschehnisse darzustellen.“
    Der Mann verneigte sich leicht,
während sich der Rest der Anwesenden wieder setzte. Er begann mit der üblichen
Einleitungsformel. „Ich spreche als Oberster meiner Gilde. Im Namen der
Gerechtigkeit vertrete ich Janus, den Secundus der Caesaren.“ Seine Stimme
klang blass und staubtrocken, als hätte man ihr jede Persönlichkeit entzogen. Die
Wortwahl war knapp. „Der Fall liegt so: Janus besaß eine Passagierkabine, die
zu klein war, um seinem Rang zu entsprechen. Er musste außerdem noch seine drei
Sklaven unterbringen. Deshalb besetzte er zusätzlich die Nachbarwohnung und
vertrieb die dort

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