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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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Ein Untermieter mehr oder weniger in
ihrer Kabine würde auch keine Rolle mehr spielen ...
    Sie ergriff seinen Arm und
schüttelte ihn, bis er mühsam die Augen aufschlug. Nur allmählich klärten sich
seine Pupillen, dann schaute er zu Randori hoch. Sie lächelte mütterlich und
sagte: „Es gibt Neuigkeiten von deinem Getrauten. Möchtest du zuerst die gute
oder die schlechte Nachricht?“
     

 
    „Nein, du musst das Ende von unten durch
die Schlaufe stecken. Nicht so, du wirst dich noch aufhängen.“
    Serail war dabei, seinem Getrauten
das Binden eines Krawatten-Knotens beizubringen. Seine Stimme drang reichlich
erschöpft durch Randoris Reispapierwände. „Meine Güte, du bist doch sonst so
schnell beim Lernen.“
    Randori war nach zweieinhalb
Wochen unendlich froh, dass sie Serail aus der Krankenstation mitgenommen
hatte, um seinen Ehepartner zu versorgen. Caravan war ein anstrengendes Kind.
Gerade befand er sich in der ‘Warum’-Phase, fragte seinem Getrauten Löcher in
die Hirnrinde, und die Kapitänin hatte festgestellt, dass ihr fürs Mutterdasein
die Nerven fehlten.
    Serail dagegen beantwortete alle
Fragen mit einer liebevollen Geduld, die Randori sehr überraschte. Ihr selbst
gegenüber zeigte sich der junge Mann genauso launisch, wie sie es erwartet
hatte. Aber für Caravan brachte er eine grenzenlose Hingabe auf.
    Zynisch wie sie war, hielt Randori
das eher für Schuldbewusstsein als für partnerschaftliche Liebe. Serail hatte
offenbar ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil sein Alleingang unter Wasser
dazu geführt hatte, dass Caravan fast gestorben war. Soweit sie wusste, war er
vorher nicht gerade ein idealer Getrauter gewesen. Seine Strom-Einträge
zeichneten ein klares Bild dieser Beziehung: Er hatte sich von Caravan auf
Händen tragen lassen und sich wie ein verlorenes Kind an ihn geklammert, wenn ihn
seine Depressionsanfälle heimsuchten. Gleichzeitig hatte er alles gevögelt, was
ihm vor den Schwanz kam. Nun ja, sie hatte kein Recht zu urteilen, wie Liebe
aussehen sollte. Ihre eigenen Erfahrungen in diesem Bereich waren auch nicht gerade
erfolgreich gewesen.
    Jedenfalls war es amüsant, mit
anzusehen, wie sich die Rollen der beiden Getrauten vertauscht hatten. Jetzt
hatte Serail plötzlich den Elternpart am Hals. Andererseits schien es ihm nach
einer kurzen Gewöhnungsphase ganz gut zu gefallen, seinen alterweisen, stets
überlegenen Getrauten einmal hätscheln und umsorgen zu können. Vielleicht war
es doch Liebe, dachte Randori. Durch die dramatischen Ereignisse war zwischen
den beiden eine neue Nähe entstanden. Serail fühlte sich gebraucht. Er hatte
einen starken Beschützerinstinkt für seinen Getrauten entwickelt und las ihm
jeden Wunsch von den Augen ab.
    „Warum muss ich Krawatten-Knoten
lernen?“, ertönte Caravans widerspenstige Stimme. „Du hast gesagt, jede Gilde
hat andere Kleidung. Ich nehme eine Gilde ohne Krawatten-Knoten.“
    „Tut mir leid, das gehört zur
Dienstuniform. Das Design von Matrosenanzügen stammt aus einer antiken Epoche.“
    Randori schmunzelte in sich
hinein. Sie stellte fest, dass sie die Gesellschaft ihrer beiden Gäste genoss. Zum
einen war es faszinierend, Caravan bei seiner Entwicklung zu beobachten. Sie
hatte ihm gleich zu Anfang einen Bildschirm-Anschluss für den Strom besorgt,
und in nur fünf Tagen hatte er sich durch die gesamten Sprachdateien gefressen,
von ‘A wie Affe, B wie Blume’ bis zu ‘Die Wurzeln unserer Sprachstruktur. Ein
historisches Kompendium für ArcheOlogen’. Zum anderen gefiel es ihr, wieder mit
jemandem zusammenzuwohnen, ein gemütliches Frühstück zu teilen, vor dem
Schlafen eine Runde Venezia zu spielen ... Nachdem sie ihren letzten Mann vor
die Tür gesetzt hatte, war es mit der Zeit recht einsam geworden. Das fiel ihr
erst jetzt deutlich auf, seitdem sich dieses ungewöhnliche Paar in ihrer
Wohnung breit machte.
    Sie konnte sich noch genau daran
erinnern, wie begeistert sie am Anfang ihrer Senatorenzeit über das Privileg
einer Einzelkabine gewesen war. Die Arche war überfüllt, und in den Städten
lebten in der Regel fünf oder mehr Personen zusammengedrängt in einem einzigen
Zimmer. Um das Schiff zu vergrößern, hätte man neues Rohmaterial für die
Recycler gebraucht, aber sie trieben schon zu lange im leeren All. Weit und
breit gab es kein Planetensystem, auf dem man hätte schürfen können.
Schließlich hatte man sogar eine der äußeren Passagierstädte wieder abbauen
müssen, um den Recyclern genug

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