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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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von Janus abrückten. Niemand war bereit, einen Mann zu unterstützen,
der sie alle in eine gepolsterte Stromzelle bringen konnte.
    Der Kaiser lächelte Randori
wohlwollend zu.
    Sie hatte gewonnen, aber es wäre
unvorsichtig gewesen, den RomSenatoren das Gefühl zu geben, dass sie dabei verloren hatten. Randori nahm eine Haltung ein, die sie weniger dominant
wirken ließ und sagte verbindlich: „Meine Herren, die Caesaren erfüllen eine
wichtige Aufgabe an Bord. Sie helfen Ihren Mitgliedern, Aggressionen abzubauen,
so dass ziellose Gewalttaten bei uns eine Ausnahme und nicht die Regel sind.
Sie sorgen dafür, dass – um ein Beispiel zu nennen – niemand eine
Vergewaltigung zu befürchten braucht, der keinen Geschmack an solcher Lebensart
findet. Ich bin Ihnen dafür dankbar. Und es täte mir leid, wenn ein Einzelfall
wie Janus Vertragsbruch dazu führen würde, dass Ihre pflichtbewusste –“
    „Entschuldigung?“ Serails nervöse
Stimme unterbrach ihren Redefluss.
    Randori sah mit gerunzelter Stirn
zur Tür ins Nachbarzimmer. „Was ist denn?“
    Man sah Serail an, dass er am
liebsten im Boden versunken wäre. „Es tut mir wirklich leid, dass ich störe,
aber die Ärztin hat eine Nachricht geschickt. Es geht um die Operation. Sie
will dieses Implantat-Problem jetzt beheben. Äh, ich wollte nur sagen, dass ich
in der Krankenstation bin und auch gleich meinen Freund mitnehme.“
    Randori musste zugeben, dass er
seine Botschaft sehr diplomatisch verpackt hatte. „Ja, in Ordnung“, sagte sie
besänftigt. „Ich komme nach, so schnell ich kann. Es wird schon gutgehen.“
    Serail lächelte tapfer und
verschwand.
    „Ihr Liebhaber?“, fragte die
Designerin mit dem Perlenkleid interessiert.
    Randori nickte. Das war die
einfachste Erklärung. Dann wischte sie ihr Privatleben mit einer Handbewegung
vom Tisch. „Um wieder zum Thema zu kommen: Das Gericht hat beide Parteien
gehört. Die Sachlage ist eindeutig. Der Angeklagte ist bereits von der Jury 48.3
zu fünf Wochen Stromhaft verurteilt worden. Ich sehe keinen Grund, das Urteil
zu ändern. Da es sich um die gewalttätige Aneignung einer Wohnung handelt, wird
Janus Secundus diese Zeit als Obdachloser verbringen und in einem indischen
Slum leben. Ich bitte also die Caesaren, dem Verurteilten den Gildeschutz zu entziehen,
damit die Strafe vollstreckt werden kann.“
    „Berufung“, erklang in diesem
Moment die kühle, beherrschte Stimme des Secundus. Er war aufgestanden und
hatte in römischer Rednerpose die Hand an den Faltenrand seiner Toga gelegt. „Ich
wende mich an die übergeordnete Instanz.“
    „Es gibt keine übergeordnete
Instanz“, sagte die Kapitänin erstaunt.
    Er hätte einen besseren römischen
Despoten abgegeben als sein Herr, dachte Randori: Raubtieraugen, das Haar wie
schwarze Rabenfedern, und dazu eine Ausstrahlung von Arroganz, die ihn wie ein
Panzer umgab. Sie hatte außerhalb des Stroms noch nie jemanden getroffen, der aussah
wie der dunkle Lord einer Fantasy-Simulation. Perfekte Gesichtzüge, kalt und
tödlich. Sie hatte das Bedürfnis zu blinzeln, um zu sehen, ob er sich in Nichts
auflöste.
    Die ganze Verhandlung über hatte
er sich im Hintergrund gehalten, bis man seine Anwesenheit fast vergaß. Dadurch
wirkte sein Auftritt nun umso beeindruckender. Seine Stimme war kultiviert und
klangvoll, er hatte mit Sicherheit eine klassische Rhetorik-Schulung hinter
sich. „Ich fordere ein Gottesgericht.“
    „Eine ungewöhnliche Idee. Darf ich
fragen, wie Sie das Recht auf diese höhere Instanz begründen?“
    „Es gibt Präzedenzfälle. Der
Angeklagte Hurricane berief sich im Jahr 2663 auf die alteuropäische Tradition
des Gottesgerichts. Er fand einen Kämpfer, der im Duell für ihn eintrat und
siegte. Der Angeklagte wurde freigesprochen.“ Seine Worte hallten im Saal nach.
Sie hinterließen das Gefühl, dass es eine tragische Ungerechtigkeit gewesen
wäre, Janus nicht freizusprechen.
    Randori hob die Augenbrauen. „Sie
haben wohl ziemlich tief in den Akten gegraben.“ Ihr lässiger Tonfall ließ die
melodramatische Stimmung wie eine Seifenblase platzen. „Ich nehme an, zufällig
kennen Sie einen Spitzen-Duellanten, der sich für sie prügeln möchte? Hurricane
... ah ja, dem Strom zufolge war er ein Mitglied der Camelot-Gilde. Es war sein
gutes Recht, sich auf mittelalterliche Sitten zu berufen. Was haben denn die
Caesaren mit Ritterehre zu tun?“
    Janus Miene wurde starr. „Bei den
Römern“, sagte er verbissen, „konnte sich ein

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