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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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nach.
    Sie begannen sich vorwärts zu
schnellen, glitten zusammen mit den anderen Reisenden schwerelos durch die Luft
wie ein Fischschwarm durchs Wasser. Caravan genoss das Gefühl, mit kräftigen
Armzügen voranzudrängen. Sein Körper erinnerte sich an die geschmeidige Geschicklichkeit,
die er bei der Gilde der Artisten und Magier erworben hatte. Die Menschen hatten
lange Zeit geglaubt, Gene würden von Geburt an unverändert bleiben, aber so war
es nicht. Auf einer tieferen Ebene färbten Erfahrungen auf den Bauplan eines
Lebewesens ab, machten nachträglich Erlerntes für einen Ahnen zugänglich.
    Caravan ließ sich von seinem
Körpergefühl mitreißen und steigerte das Tempo. Er verkürzte die Gleitstrecken,
stieß sich zuerst alle fünfzehn Meter ab, dann alle zwölf, und je öfter er Schwung
holte, desto schneller flog er, bis er eine halsbrecherische Geschwindigkeit
erreicht hatte. Um zu überholen, wechselte er zwischen den Bahnen hin und her.
Jedes dieser Manöver war ein Geschicklichkeitsspiel, das seinen Ehrgeiz weiter
anstachelte. Er sah in der Spur über sich eine freie Lücke und segelte hinein,
glitt als nächstes auf die Bahn rechts … und hatte den Überblick über die
Verkehrsbewegungen verloren. Er geriet in die Flugbahn eines anderen Passanten
und hätte fast einen Zusammenstoß verursacht. Die Leute auf den Parallelspuren
grinsten über sein Missgeschick, und es gefiel ihm überhaupt nicht, derartig
aufzufallen. An der nächsten Stange versuchte er zu ruckartig abzubremsen und
hätte sich fast den Arm ausgekugelt. Jetzt verstand er, was Randori mit ihrer
Warnung gemeint hatte.
    Danach ließ er es vorsichtiger
angehen, stieß sich sanft ab und wählte eine langgestreckte, flache Flugbahn
auf die andere Stange zu. Nur ganz allmählich driftete er zur rechten Seite
hinüber, doch der Luftwiderstand brachte ihn nach achtzig Metern fast zum
Stillstand. Schon hatte er das Gefühl, dass er die Stange diesmal nicht
erreichen, sondern mitten auf dem Weg im Nichts hängen bleiben würde.
    Der Gedanke, dass Randori ihn aus
der Luft angeln musste, war äußerst peinlich. Glücklicherweise reichte sein
Schwung gerade noch aus, doch er hatte keine Lust auf weitere Patzer. Er hörte
auf, blindlings herumzuprobieren, errechnete aus seinen bisherigen Erfahrungen
ein mathematisches Modell für die beste Pendelbewegung und hielt sich daran.
Das schwerelose Dahinsegeln erinnerte ihn an seine Zeit bei den Heliumgleitern.
Es war entspannend, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hatte. Vor sich sah
er Randori, die mit ihrem gleichmäßigen Rhythmus schneller vorangekommen war
als er mit seinen Experimenten. Er wechselte vorsichtig auf die linke
Nachbarspur und passte seine Geschwindigkeit so an, dass er in ruhigen, geübten
Zügen an der Kommandantin vorbeizog.
    „Sehr beeindruckend“, begrüßte sie
ihn leicht spöttisch, als er neben ihr auftauchte. „Aber wenn du die Führung
übernimmst, solltest du vielleicht wissen, wo wir hinwollen.“
    „Stimmt, wohin wollen wir
eigentlich?“ Er grinste und ließ sich wieder ein Stück zurückfallen, um ihr zu
folgen.
    Randori machte eine Art Saltodrehung
und driftete mit den Füßen voran weiter. Nun war ihr Gesicht in seine Richtung gewandt,
und ihre Köpfe berührten sich fast, so dass sie in einem weniger lauten Ton
sprechen konnte. „Ich will noch einmal mit Newton über die Attentate reden. Es
gibt an Bord nur drei Gruppen, die ein Interesse daran haben, die Crew aus
ihrer Machtposition zu drängen. Das sind die Demokraten, die Eremiten und die
Gildenmeister unter Newtons Führung. Eine von diesen Gruppen muss für die
Mordanschläge verantwortlich sein, aber welche? Bisher haben wir nur einen
einzigen konkreten Hinweis, nämlich die von Newtons Designern hergestellte
Pistole.“
    „Es gibt noch eine Kleinigkeit,
die mir aufgefallen ist“, ergänzte Caravan. „Bevor auf der Südseeinsel die Schießerei
losging, hat mich ein Schamane von seiner Sonnenliege aus angestarrt. Das
wirkte irgendwie … seltsam.“
    „Ein Schamanenmönch beim Bräunen
unter Palmen? Das ist allerdings seltsam. Du hast vorher nie davon gesprochen.“
    „Es schien keine Bedeutung zu
haben. Serail meinte, alle Eremiten benehmen sich verrückt.“
    Die Pendelbewegung hatte sie jetzt so
weit auseinanderdriften lassen, dass ein diskret leises Gespräch nicht mehr
möglich war. Caravan steuerte auf die linke Stange seiner Spur zu, Randori auf
die rechte. Sie holten beide neuen Schwung

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