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Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition)

Titel: Die fünf Seelen des Ahnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Nolte
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aufgab
und mir ein neues Leben suchte. Ich erinnere mich an einige Jahrzehnte, die ich
in den Spielsteingärten verbrachte. Auf einer flachen Sandebene, die ungefähr
den Durchmesser eures Schiffes besitzt, haben die Ahnen ihr mathematisches
Wissen ausgebreitet. Für dich würde es aussehen wie ein Geflecht riesiger
Mandalas, das in ständiger Veränderung begriffen ist. Korallensteine mit
bestimmten Formen und Farben stehen für Zahlen oder physikalische Symbole, und
zusammen mit den anderen Spielern tauschte ich Steine aus, fügte neue hinzu,
diskutierte auf diese Weise die Relativität der Zeit, fraktale Geometrie, subjektive
Quantenanalyse.
    Ein anderes Mal verwandelte ich
mich in einen Zwergnestschnuck – ein winziges, felliges Tier, das sich Gänge
durch die meterdicke Schicht der schwimmenden Inseln gräbt. Die Schnucks sind
etwas Besonderes, denn es gibt fast keine Landlebewesen auf Archensee. Soweit ich
herausfinden konnte, hat die Evolution im Wasser begonnen und sich dann in der
Luft fortgesetzt, als einige Arten die Gasschwimmblasen benutzten, um sich in
den Himmel zu erheben. Die Inseln wurden erst sehr viel später besiedelt. Es
war ein ungewöhnliches, reizvolles Erlebnis, ein Landbewohner zu sein.
    Aber das ist nicht der Grund,
warum mir die Schnucks so besonders stark im Gedächtnis geblieben sind. So
seltsam es klingen mag, bei ihnen habe ich das erste Mal jemanden geliebt. Es
gibt bei dieser Spezies eine Paarbindung mit lebenslanger Treue, und ich konnte
mir schon kurz nach meiner Verwandlung nicht mehr vorstellen, jemals ohne
meinen Partner zu sein. Ich habe ihm neun wunderschöne Nester gebaut, ihm das
Meerwasser aus dem Fell geleckt, ihm ein Dutzend Kinder geboren. Mein
Tiefenselbst kämpfte dagegen an, so lange im selben Körper gefangen zu sein. Es
war mir egal. Ich habe damals sechsundzwanzig Jahre an seiner Seite gelebt, bis
er starb. Ich sah ihn altern, krank werden und sterben, während ich selbst
unverändert blieb, und es hat mir fast das Herz zerrissen. Damals habe ich gelernt,
was es bedeutet, jemanden zu verlieren, den man liebt.“
     

 
    Randoris Zimmer sah anders aus als
früher. Aber das lag an seiner veränderten Blickweise.
    „Ich komme mir vor wie in einem
Déjà-vu“, sagte Caravan. „Als würde ich alles mit doppelten Augen sehen.
Normalerweise fällt es meinem Tiefenselbst leichter, eine neue Persönlichkeit
einzufügen.“
    „Aber Caravan will sich nicht
einfügen lassen?“ Randori stand ebenfalls etwas verloren im Raum, so als müsse
sie sich die Geborgenheit ihrer Wohnung erst wieder erobern. Sie rückte eine
Papierwand zurecht und nahm die scheinlebendigen Blumen, die pünktlich am vierten
Tag verwelkt waren, aus der Vase ihrer Meditationsnische. Aus dem Recycler
holte sie ein neues Orchideengesteck ‘Randori VII’ in beruhigendem Blau.
    Caravan lehnte sich an die Wand.
„Normalerweise, wenn ich mein Gedächtnis wiederbekomme, hat sich keine fremde
Intelligenz in meinem Gehirn eingenistet. Caravan fühlt sich wie eine
eigenständige Person an, sehr viel dominanter, als ich das gewohnt bin. Zum
ersten Mal fühle ich mich tatsächlich, als hätte ich eine
Persönlichkeitsspaltung.“ Er sah zu, wie Randori eine Sitzmatte aus Bambus an
den Recycler verfütterte und eine andere mit unterschiedlichem Flechtmuster
herauszog. „Übrigens findet Caravan, dass du den Asienkult übertreibst und
hätte gerne einen Polstersessel. Aber mir gefällt diese Hingabe an eine fremde
Kultur.“
    „Oh, vielen Dank.“
    „Hast du zufällig Papier und Füller?“
    Randori zog die Augenbrauen hoch.
„Sicher. Wozu denn?“ Sie öffnete eine Klappe in ihrem Lackschränkchen und nahm
die Schreibmappe heraus.
    „Ich habe mir gedacht, dass Serail
vielleicht einfacher mit der Situation klarkommt, wenn ich ihm einen Brief
schreibe und eine Weile verschwinde ... und ihm die Situation später persönlich
erkläre.“
    „Oh nein, du wirst mich nicht
alleine hier sitzen lassen!“ Randori verschränkte die Arme und schaute ihn mit
schmalen Augen an. Sie sah wirklich beeindruckend aus, wenn sie das tat. „Ich
habe keine Lust, deine Probleme auszubaden. Du hast Serails Getrauten getötet.
Damit wird er nicht ‘einfach klarkommen’. Du wirst dich jetzt nicht
davonstehlen und es mir überlassen, Serails Zusammenbruch mit anzusehen!“
Sie musterte ihn abschätzend von oben bis unten. „Aber ich finde es ganz
charmant, dass du versuchst auszureißen. Eine sehr menschliche

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