Die fünfhundert Millionen der Begum
Stahlstadt. – Die Puddel-Methode hier ist ganz die gewöhnliche, nur bedient man sich, wohl zu bemerken, der von Chernoff empfohlenen und verhältnißmäßig ziemlich niedrigen Temperaturen, sowohl bei der ersten Erhitzung als bei dem zweiten Feuer. Das Gießen betreibt man nach dem Vorgange Krupp’s in Essen, hält dabei aber auf eine wahrhaft wunderbare Gleichmäßigkeit der Ausführung. Diese Sicherheit in jedem Manöver muß man als die größte Stärke der Deutschen anerkennen. Sie rührt offenbar von dem der ganzen germanischen Race angebornen musikalischen Gehör her. Die Engländer werden nie im Stande sein, eine solche Vollkommenheit zu erreichen, dazu fehlt ihnen das Ohr, wenn nicht gar der Geist der Disciplin. Die Franzosen, welche sich ja gern die ersten Tänzer der Welt nennen, müßten sich leicht in dieser Weise ausbilden können. Bisher habe ich also nichts Geheimnißvolles gesehen, dem man die ungeheuren Erfolge dieser Fabrikationsweise zuschreiben könnte. Die von mir beim Wandern durch das Gebirge gesammelten Erzmuster entsprechen unseren guten Eisensorten vollständig. Die Steinkohlen sind gewiß sehr schön und eignen sich für metallurgische Zwecke ganz vorzüglich, stehen aber sicher nicht einzig da in ihrer Art. Ohne Zweifel basirt Schultze’s Herstellungsmethode darauf, daß er nur Material der besten Qualität, frei von jeder fremden Beimischung, verwendet und auf die vollkommene Reinheit desselben achtet. Das Alles ist aber ohne Schwierigkeit nachzuahmen. Es gilt, um im Besitze aller Elemente des Problems zu sein, nur noch die Zusammensetzung des feuerbeständigen Thones zu untersuchen, der zu den Schmelztiegeln und Gußrinnen verwendet wird.
Auf einem Schienenstrang verschiebbar, erhob sich ein mächtiger Krahn. (S. 61.)
Ist das erreicht und sind unsere Gießer erst in ähnlicher Weise disciplinirt, so sehe ich nicht ein, warum wir nicht dasselbe leisten sollten, was hier vollbracht wird. Bisher sah ich freilich nur zwei Sectoren und es giebt deren vierundzwanzig, ohne die Centralstelle, die Abtheilung für Pläne und Modelle, sozusagen das geheime Cabinet, zu rechnen. Worüber mag man dort wohl brüten? Was mag unseren Freunden bevorstehen, wenn ich an die Drohungen denke, die Herr Schultze bei Antritt seiner Erbschaft ausstieß?«
Erschöpft von den Anstrengungen des Tages, entkleidete sich Schwartz und schlüpfte in das kleine, etwas unbequeme Bett, zündete sich noch eine Pfeife an und begann in einem alten Buche zu lesen. Offenbar schwärmten seine Gedanken aber irgendwo anders umher. Zwischen seinen Lippen drängten sich unaufhörlich die leichten, duftenden Wölkchen hervor, als sagten sie wieder:
»Bah! Bah! Bah! Bah!….
Am Ende legte er das Buch gänzlich weg und versank in tiefes Sinnen, als wäre er mit der Lösung eines schwierigen Problems beschäftigt.
»O, rief er plötzlich, und wenn es mit dem Teufel selbst zuginge, ich werde hinter Herrn Schultze’s Geheimniß kommen und zu erfahren wissen, was er gegen France-Ville im Schilde führt!
Den Namen des Doctor Sarrasin auf den Lippen, schlummerte Schwartz ein, im Traume aber veränderte sich dieser zu dem Namen der kleinen Tochter des Arztes. Ungeschwächt bewahrte er die Erinnerung an das liebliche Mädchen, zumal da Jeanne, seit er sie verlassen, nun zur Jungfrau aufgeblüht sein mußte. Diese Erscheinung erklärt sich leicht durch die bekannten Gesetze der Ideenassociation: Der Gedanke an Doctor Sarrasin legte ja den an dessen Tochter ziemlich nahe, und als Schwartz oder vielmehr Marcel Bruckmann erwachte und noch immer Jeanne’s Namen im Gedächtniß hatte, erstaunte er darüber nicht im mindesten, sondern erkannte nur eine Bestätigung der ausgezeichneten psychologischen Grundwahrheiten Stuart Mill’s.
Sechstes Capitel.
Der Albrechts-Schacht.
Madame Bauer, die brave Frau, welche Marcel Bruckmann bei sich aufgenommen hatte, war eine Schweizerin von Geburt und die Witwe eines Bergmannes, der vor etwa vier Jahren durch einen jener Unfälle getödtet wurde, die dem Leben des Kohlengräbers den Charakter eines fortwährenden Kampfes verleihen. Das Etablissement gewährte ihr eine kleine jährliche Pension von dreißig Dollars, neben der sie ihr Leben noch durch den geringen Ertrag eines möblirt vermietheten Zimmers und den Lohn ihres Sohnes kärglich fristete, den dieser jeden Sonntag heimbrachte.
Obgleich erst dreizehn Jahre alt, war Karl doch schon in einer Kohlengrube angestellt, wo er beim
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