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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Sohn aber nahm nicht mit in der Kufe Platz. Er begab sich nach dem Stalle, zu seinem Liebling Blair-Athol, besorgte diesem das nöthige Futter an Hafer und seine Provision an Heu; dann verzehrte er selbst sein kaltes Abendbrot, das ihm von oben her zugeschickt wurde, spielte ein wenig mit der großen Ratte, die unbeweglich ihm zu Füßen saß, oder mit den beiden Fledermäusen, welche schwerfällig um sein Haupt flatterten, und schlummerte endlich auf dem ärmlichen Strohlager friedlich ein.
    Wie genau wußte Frau Bauer das Alles und wie verstand sie jedes Wort von ihrem Karl, noch bevor er es ganz ausgesprochen hatte.
    »Weißt Du, Mutter, was mir gestern der Herr Ingenieur Maulesmüthe sagte? Er sagte, wenn ich auf einige arithmetische Fragen, die er in den nächsten Tagen an mich richten würde, gute Antworten gäbe, so wolle er mich verwenden, die Maßkette zu halten, wenn er mit seiner Boussole Grubenpläne aufnehme. Es scheint, man will einen Stollen nach dem Weberschacht durchschlagen, und es wird Mühe kosten, diesen genau zu treffen.
    – Wirklich, rief Frau Bauer hocherfreut, der Herr Ingenieur Maulesmüthe hat das gesagt!«
    Sie stellte sich schon vor, wie ihr Knabe in den Stollen die Kette hielt, während der Ingenieur mit dem Notizbuche in der Hand die Maße eintrug und das Auge auf die Boussole gerichtet, den Winkel für den Durchschlag bestimmte.
    »Leider, fuhr Karl fort, weiß ich Niemand, der mir erklären könnte, was ich von der Arithmetik noch nicht kenne, und ich fürchte, jene Fragen schlecht zu beantworten.«
    Jetzt mischte sich Marcel, der am Kamin schweigend sein Pfeifchen rauchte, wozu ihn seine Eigenschaft als Pensionär des Hauses berechtigte, in das Gespräch und sagte zu dem Kinde:
    »Wenn Du mir mittheilen willst, was Dir fehlt, so könnte ich Dir wohl aus der Noth helfen.
    – Sie? bemerkte Frau Bauer etwas ungläubig.
    – Gewiß, erwiderte Marcel. Glauben Sie denn, ich lernte gar nichts bei dem Unterricht, den ich Abends nach dem Essen besuche? Der Lehrer ist mit mir recht zufrieden und meint, ich könnte ihm vielleicht zur Aushilfe und zum Wiederholen dienen.«
    Marcel holte darauf aus seinem Zimmer ein noch leeres Schreibheft, setzte sich neben den kleinen Knaben, unterrichtete sich über die Lücken in dessen Kenntnissen und setzte ihm Alles mit so großer Klarheit auseinander, daß dieser darin nicht die geringsten Schwierigkeiten fand.
    Von diesem Tage ab erwies Frau Bauer ihrem Pensionär offenbar eine größere Achtung und Marcel faßte mehr und mehr Zuneigung zu seinem kleinen Kameraden.
    Er selbst erwies sich übrigens als musterhafter Arbeiter und wurde deshalb bald in die zweite und nach kurzer Zeit zur ersten Classe versetzt. Jeden Morgen Punkt sieben Uhr fand er sich am Thore
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ein. Alle Abende begab er sich nach dem Essen zum Unterricht, den der Ingenieur Trubner ertheilte. Geometrie, Algebra, Figuren-und Maschinenzeichnen, Alles erfaßte er mit gleichem Eifer und machte darin so schnelle Fortschritte, daß der Lehrer darüber erstaunte. Nach zweimonatlichem Verweilen in dem Schultze’schen Werke war der junge Arbeiter schon als einer der hellsten Köpfe nicht nur im Sector
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, sondern in ganz Stahlstadt vorgemerkt. Der am Schlusse des ersten Vierteljahres von seinem unmittelbaren Vorgesetzten erstattete Bericht über ihn lautete wörtlich:
    »Schwartz (Johann), sechsundzwanzig Jahre, Gießer erster Classe. Ich fühle mich verpflichtet, den jungen Mann der Centralleitung als außergewöhnlich befähigt zu empfehlen ebenso wegen seiner theoretischen Kenntnisse wie wegen hervorragender praktischer Geschicklichkeit und besonderer Erfindungsgabe.«
    Nichtsdestoweniger bedurfte es einer ganz außerordentlichen Veranlassung, um Marcel die Aufmerksamkeit seiner Chefs zu sichern. Diese Gelegenheit bot sich denn auch, wie dies ja früher oder später immer zu geschehen pflegt, hier leider unter sehr betrübenden Umständen.
    Marcel bemerkte eines Sonntags Morgens mit Verwunderung, seinen kleinen Freund Karl noch nicht gesehen zu haben, obwohl schon zehn Uhr vorüber war, und er ging deshalb zu Frau Bauer hinab, um zu fragen, ob sie den Grund dieser Verzögerung kenne. Er fand Letztere in großer Unruhe. Schon seit zwei Stunden hätte Karl zu Hause sein müssen. Da er ihre Sorge kannte, erbot er sich, Erkundigungen einzuziehen, und begab sich also nach dem Albrechts-Schacht.
    Unterwegs begegnete er mehreren Bergleuten, welche er fragte, ob sie den Knaben gesehen hätten. Alle

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