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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hatten ihm in kurzer Zeit unter allen diesen fleißigen Männern eine gewisse Berühmtheit erworben. Er galt allgemein als der gewandteste, beste Zeichner, der jede Schwierigkeit zu überwinden wußte. Stieß irgendwer einmal auf eine solche, so war er es, zu dem man seine Zuflucht nahm. Selbst die Abtheilungs-Vorsteher begegneten ihm mit einer gewissen Hochachtung, die sich das wahre Verdienst trotz aller Eifersucht doch immer erzwingt.
    Hoffte der junge Mann freilich, mit dem Eintritte in die Modell-Abtheilung auch in die innersten Geheimnisse des ganzen Werkes einzudringen, so sah er sich arg enttäuscht.
    Sein Leben verrann innerhalb eines Eisengitters von dreihundert Meter Durchmesser, das die Central-Anlagen nach allen Seiten abschloß. Theoretisch erhielt er hier zwar Einsicht in alle Zweige der metallurgischen Industrien, in der Praxis blieb seine Thätigkeit dagegen auf das Zeichnen von Dampfmaschinen beschränkt. Er entwarf deren in allen Größen und Stärkeverhältnissen, für jede Industrie und andere Verwendung für Kriegsschiffe und Druckpressen; niemals griff seine Thätigkeit aber über diese Specialität hinaus. Die hier bis auf’s äußerste getriebene Arbeitstheilung hielt ihn in ihren starken Fesseln.
    Nach viermonatlichem Verweilen in der Section
A
wußte Marcel von der Gesammt-Organisation der Stahlstadt kaum mehr als vorher, außer daß er seine Notizen um einige allgemeine Bemerkungen über dieses großartige Getriebe bereichert hatte, in dem er selbst trotz seiner Verdienste, nur ein unscheinbares Rädchen darstellte. Er wußte, daß der »Stierthurm« – eine Art Cyklopenbauwerk, das alle umgebenden Gebäude überragte – den eigentlichen Mittelpunkt dieses Spinnengewebes von Anlagen bildete. Aus gelegentlichen, aber nicht zuverlässigen Aeußerungen hatte er beim Essen wohl auch erfahren, daß sich Herrn Schultze’s Privatwohnung im Erdgeschoß jenes Thurmes und das vielerwähnte geheimste Cabinet wieder in dessen Mitte befinde. Man bemerkte dazu, daß jener gegen jede Feuersgefahr gesicherte und im Innern wie ein Panzerschiff von außen geschützte gewölbte Saal durch ein System von Sicherheitsthüren mit Selbstschüssen verschlossen sei, welche auch dem ängstlichsten Bankgeschäfte genügt hätten. Man nahm übrigens an, Herr Schultze arbeite an der Vollendung einer furchtbaren Kriegsmaschine, deren Wirkung ohnegleichen und welche bestimmt jeden Widerstand brechen müsse.
    Um den Schleier dieses Geheimnisses zu lüften, brütete Marcel über den abenteuerlichsten Plänen. Ob er aber wie ein Dieb einzusteigen versuchen oder sich einer Verkleidung bedienen sollte – nichts schien ihm Erfolg zu versprechen. Die langen düsteren und festen Mauern, welche in der Nacht glänzend beleuchtet und von bewährten Posten bewacht wurden, hätten doch alle seine Anstrengungen vereitelt. Selbst wenn er alle Hindernisse vielleicht an einer Stelle glücklich überwand, was würde er dann mehr sehen, als irgend eine Einzelheit – niemals das Ganze!
    Immerhin! Er hatte sich gelobt, nicht zurückzuschrecken, er wich auf keinen Fall. Und kostete es ihm zehn Jahre eines fast kerkergleichen Lebens, so wollte er auch zehn Jahre lang ausharren. Einst mußte ja die Stunde schlagen, wo das Geheimniß sich ihm offenbarte. Da France-Ville, eine glückselige Stadt, frisch emporblühte und ihre wohlthätigen Einrichtungen Jederman sichtlich nützten, indem sie den entmuthigten Völkern einen neuen schöneren Horizont eröffneten, so zweifelte Marcel keinen Augenblick, daß Herr Schultze, gegenüber einem solchen Erfolg der lateinischen Race, mehr als je dabei beharren werde, seine Drohungen wahr zu machen. Ganz Stahlstadt selbst und die Arbeiten, für welche dasselbe errichtet war, lieferten hiervon den Beweis.
    So verflossen mehrere Monate.
    Eines Tages, als Marcel wohl zum tausendsten Male im Stillen seinen Hannibals-Eid wiederholte, kam einer der grauen Akolyten mit der Meldung, daß der General-Director ihn zu sprechen wünsche.
    »Es ward mir von Herrn Schultze, begann dieser hohe Beamte, der Auftrag ertheilt, ihm unseren besten Zeichner zu senden. Das sind Sie. Packen Sie also Ihre Effecten zusammen, um in den innersten Kreis zu verziehen. Sie sind hiermit zum Lieutenant befördert!«
    Gerade jetzt, wo er fast an dem endlichen Erfolge verzweifelte, jetzt gewährte ihm die logische und naturgemäße Wirkung seines heldenhaften Fleißes die längst herbeigesehnte Erlaubniß zum Zutritt! Marcel übermannte

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