Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Nagel gleichzeitig eine an ihn gerichtete Vorladung hängen.
    »Genannter Schwartz hat sich heute um zehn Uhr im Bureau des General-Directors, Central-Gebäude, Thor und Straße
A
einzufinden.
    – Endlich! dachte Marcel. Sie haben sich Zeit genommen, aber sie kommen doch dazu.«
    Durch Plaudereien mit Kameraden und durch seine sonntäglichen Spaziergänge in der Umgebung von Stahlstadt hatte er jetzt hinreichende Kenntnisse von der strengen Organisation der ganzen Anlage, um zu wissen, daß die Erlaubniß, in deren eigentlichen Kern einzudringen, nur ungemein selten ertheilt wurde. Es waren hierüber wirkliche Legenden in Aller Munde. Man erzählte, daß unberechtigte Eindringlinge aus dem abgeschlossenen Mittelpunkte gar nicht wieder erschienen seien; daß die daselbst beschäftigten Arbeiter und Beamten sich vor ihrer Zulassung einer ganzen Reihe freimaurerischer Ceremonien zu unterwerfen und durch feierliche Eidesleistung das Versprechen zu geben hätten, über Alles, was hier vorging, unverbrüchliches Stillschweigen zu bewahren, während über Jeden ohne Gnade durch einen geheimen Gerichtshof die Todesstrafe verhängt wurde, der seinen Schwur verletzte. Eine unterirdische Eisenbahn setzte dieses Heiligthum mit der äußeren Umfassung des Werkes in Verbindung…. nächtliche Züge beförderten dahin unbekannte Besucher…. dort wurden bisweilen Berathschlagungen abgehalten im Beisein räthselhafter Persönlichkeiten, die sich an den Verhandlungen betheiligten….
    Ohne auf solche unsichere Berichte einen besonderen Werth zu legen, wußte Marcel doch, daß sie die volksthümliche Anschauung einer unleugbaren Thatsache ausdrückten, der unendlichen Schwierigkeit nämlich, die es kostete, in die centrale Abtheilung zu gelangen. Von allen ihm bekannten Arbeitern – und er zählte manche Freunde unter den Metall-und den Kohlengräbern, den Maschinenarbeitern und den Gehilfen bei den Hochöfen, unter den Steigern und Zimmerern wie unter den Schmieden – hatte noch keiner durch das Thor
A
jemals seinen Fuß gesetzt.
    Mit dem Gefühle berechtigter und hochgespannter Neugier stellte er sich zur bestimmten Stunde ein und überzeugte sich bald daß hier die strengsten Vorsichtsmaßregeln beobachtet wurden.
    Marcel ward übrigens schon erwartet. Im Thorwächterstübchen befanden sich zwei Männer in grauer Uniform mit dem Säbel an der Seite und dem Revolver im Gürtel. So wie die Klause der Pförtnerin in einem geschlossenen Kloster, hatte auch dieser Raum zwei Thüren, eine äußere und innere, welche sich niemals gleichzeitig öffnen ließen.
    Nach Prüfung und Visirung seines Passes brachte man ein weißes Tuch herbei, mit dem die beiden uniformirten Gesellen Marcel, der kein Erstaunen darüber zeigte, die Augen sorgfältig verbanden.
    Dann nahmen sie ihn an den Armen und führten ihn, ohne ein Wort zu sprechen, hinweg.
    Nach zwei-bis dreitausend Schritten ging es eine Treppe in die Höhe, eine Thüre öffnete sich und schloß sich wieder, und Marcel erhielt Erlaubniß, seine Binde abzunehmen.
    Er befand sich hier in einem sehr einfachen Saale mit mehreren Stühlen, einer schwarzen Tafel und einer großen Wandkarte mit Musterrissen, nebst allen zum Linearzeichnen nöthigen Utensilien. Durch hohe Fenster mit mattem Glase drang das Licht in diesen Raum ein.
    Fast gleichzeitig traten zwei Personen ein, denen man die Gelehrten auf den ersten Blick ansah.
    »Sie sind uns besonders empfohlen, begann einer derselben. Wir werden Sie prüfen und zusehen, ob sie sich für die Modellabtheilung eignen. Sind Sie bereit, sofort auf unsere Fragen zu antworten?«
    Marcel erklärte sich in bescheidener Weise zur Ablegung der Prüfung bereit.
    Die beiden Examinatoren legten ihm nun nacheinander verschiedene Fragen aus der Chemie, Geometrie und Algebra vor. Der junge Arbeiter befriedigte sie nach allen Seiten durch die Klarheit und Bestimmtheit seiner Antworten. Die Figuren, welche er mit Kreide an die Tafel zeichnete, waren so richtig, sauber, fast elegant. Seine Gleichungen standen so geordnet da wie die Linien eines Garde-Regiments. Eine seiner Demonstrationen erschien so bemerkenswerth und neu, daß sie ihr Erstaunen darüber zu erkennen gaben und fragten, wo er seinen Unterricht genossen habe.
    »In der Primärschule meiner Heimat Schaffhausen.
    – Sie scheinen ein guter Zeichner zu sein?
    – Das war mein liebstes Fach.
    – Der Unterricht in der Schweiz steht wirklich auf hoher Stufe! bemerkte der eine Examinator zu dem

Weitere Kostenlose Bücher