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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verlangt.
    – Verstehen Sie sich etwas auf Ballistik?
    – In Mußestunden habe ich mich zum Vergnügen damit beschäftigt.«
    Diese Antwort ging Herrn Schultze zu Herzen. Er würdigte seinen Untergebenen jetzt eines Blickes.
    »Sie würden es also wagen, mit mir eine Kanone zu zeichnen?…. Werden ja bald sehen, wie Sie dabei bestehen!…. O, es wird Ihnen nicht leicht sein, den Dummkopf Sohne zu ersetzen, der sich heute Morgens durch Unvorsichtigkeit mit einer Dynamitpatrone den Garaus gemacht hat!…. Der Esel hätte uns Alle miteinander in die Luft sprengen können!«
    Aus Herrn Schultze’s Munde klangen diese Rücksichtslosigkeiten wirklich gar nicht besonders auffallend.
Achtes Capitel.
Die Höhle des Drachen.
    Der Leser, der dem Geschick des jungen Elsässers folgte, wird sich kaum darüber wundern, diesen schon nach einigen Wochen als Vertrauten des Herrn Schultze wiederzufinden. Beide waren fast unzertrennlich geworden. Arbeiten, Mahlzeiten, Spaziergänge im Parke, lange Pfeifen beim schäumenden Bierkrug – Alles thaten und genossen sie gemeinschaftlich. Noch nie hatte der Ex Professor von Jena einen Mitarbeiter so ganz nach seinem Geschmacke gefunden, der ihm das Wort von der Lippe ablas und seine theoretischen Anforderungen so schnell zu verwirklichen wußte.
    Marcel zeigte sich nicht nur nach allen Seiten gründlich unterrichtet, sondern war auch der liebenswürdigste Gesellschafter, der unverdrossenste Arbeiter, sowie der glücklichste und doch bescheidenste Erfinder.
    Herr Schultze war entzückt von ihm. Zehnmal täglich sagte er sich:
    »Welcher Fund! Welche Perle von Mann!«
    In Wahrheit hatte Marcel den Charakter seines grauenhaften Chefs im ersten Augenblicke durchschaut, als dessen meist hervortretende Charakter-Eigenthümlichkeit einen grenzenlosen Egoismus erkannt, der sich äußerlich durch die empfindlichste Eitelkeit kennzeichnete, und er hatte sich feierlich gelobt, sein eigenes Benehmen unter allen Umständen darnach zu richten.
    Binnen wenigen Tagen hatte er die Claviatur dieses Instrumentes so genau kennen gelernt, daß er mit Herrn Schultze wie auf einem Piano zu spielen im Stande war. Seine Taktik ging ganz einfach davon aus, den eigenen Werth so viel wie möglich hervorzuheben, dem Anderen aber dabei immer noch Gelegenheit zu lassen, seine Ueberlegenheit an den Tag zu legen. Fertigte er z.B. eine Zeichnung an, so lieferte er dieselbe möglichst vollkommen – bis auf einen in die Augen fallenden, leicht nachzubessernden Fehler, auf den der Ex-Professor dann sofort mit größter Selbstbefriedigung aufmerksam machte.
    Kam ihm ein neuer Gedanke, so ließ er ihn mitten im Gespräche in der Weise laut werden, daß Herr Schultze glauben konnte, ihn zuerst gehabt zu haben. Manchmal ging er hierin noch weiter und sagte zum Beispiel:
    »Hier habe ich den Riß zu einem Kriegsschiff mit abnehmbarer Ramme, wie Sie es wünschten, entworfen.
    – Ich? antwortete Herr Schultze, der nicht im Geringsten daran gedacht hatte.
    – Gewiß! Sie haben das also vergessen?…. Einen ablösbaren Rammsporn, der in der Flanke des feindlichen Fahrzeuges einen spindelförmigen Torpedo hinterläßt, welcher nach drei Minuten explodirt.
    – Das ist mir gänzlich entfallen. Es gehen mir so viele Gedanken durch den Kopf.«
     

    Herr Schultze persönlich. (S. 86.)
     
    Und Herr Schultze heimste ganz ruhig die Vaterschaft der neuen Erfindung ein.
    Immerhin wurde er durch dieses Verfahren wohl nur zum Theile hinter’s Licht geführt. Wahrscheinlich fühlte er selbst, daß Marcel ihm überlegen war. In Folge eines jener räthselhaften und doch nicht so seltenen Vorgänge im menschlichen Gehirn kam es ihm aber bald gar nicht schwer an, sich mit dem »Schein der Ueberlegenheit« zu begnügen und das vorzüglich seinem Untergebenen gegenüber festzuhalten.
    »Er ist doch ein Dummkopf trotz seines Geistes, dieser junge Naseweis!« sagte er manchmal für sich und zeigte heimlich lächelnd die zweiunddreißig »Steine« seines Gebisses.
    Seine Eitelkeit fand übrigens wirklich eine gewisse reelle Befriedigung. Er allein war ja im Stande, sozusagen industrielle Träumereien aller Art zu verwirklichen!…. Solche Träumereien hatten keinen Werth, außer durch ihn und für ihn!…. Marcel war am Ende ja auch nichts Anderes als ein Rädchen des gewaltigen Organismus, den er, Schultze, in’s Leben zu rufen gewußt u.s.w. u.s.w…..
    Alles in Allem wurde er auch niemals »aufgeknöpfter«, wie man zu sagen pflegt Nach

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