Die fünfhundert Millionen der Begum
Laterne weggehen sehen.
Es blieb nun nichts übrig, als regelrechte Nachsuchungen anzustellen. Mittelst der Pfeife wurden auch die anderen Wächter herbeigerufen und Jeder erhielt den Auftrag, einen gewissen Theil des großen Bergwerkes zu durchsuchen.
Binnen zwei Stunden hatte man alle Theile der Kohlengrube durchwandert und die sieben Menschen fanden sich wieder bei der Schachtsohle zusammen. An keiner Stelle hatte sich etwas von einem Einsturz, aber auch nicht das Geringste von Karl gezeigt. Der Maschinenmeister, welcher wahrscheinlich etwas Hunger spürte, neigte zu der Ansicht, das Kind könne vorübergekommen sein, ohne daß er es bemerkt hätte, und werde sich nun ruhig zu Hause befinden. Marcel aber, der vom Gegentheile überzeugt war, bestand darauf, die Nachforschungen auf’s Neue zu beginnen.
»Was bedeutet das? fragte er, auf eine Stelle in dem Grubenplane zeigend, welche nur durch Punkte angedeutet war, wie die Geographen die
terrae ignotae
jenseits der arktischen Länder zu bezeichnen pflegen.
– Das ist die vorläufig verlassene Zone, antwortete der Meister; die Flötze waren hier nicht mehr bauwürdig.
– Es giebt eine verlassene Zone?…. O, so müssen wir daselbst suchen!« erklärte Marcel, und das mit einer Bestimmtheit, der sich die Anderen sofort unterwarfen.
Bald erreichten sie nun die Mündung der Strecken, welche, nach ihren feuchten schimmligen Wänden zu urtheilen, schon mehrere Jahre lang aufgegeben sein mußten. Sie folgten denselben schon eine Zeit lang, ohne etwas Verdächtiges zu entdecken, als Marcel plötzlich stehen blieb.
»Fühlen Sie nicht eine gewisse Schwere in den Gliedern und etwas Kopfschmerz?
– Ja, wahrhaftig! bestätigten seine Begleiter.
– Mir erscheint es, fuhr Marcel fort, als wäre ich manchmal halb betäubt. Hier ist ohne Zweifel zu viel Kohlensäure in der Luft!…. Gestatten Sie daß ich ein Streichhölzchen anbrenne? fragte er den Meister.
– Nach Belieben! antwortete dieser.
Marcel nahm ein kleines Etui aus der Tasche, entzündete ein Hölzchen und bückte sich, um die Flamme dem Erdboden zu nähern. Diese erlosch sofort.
»Ich wußte es, sagte er. Das Gas hält sich wegen seiner größeren Schwere unten auf dem Boden…. Wir dürfen hier nicht länger verweilen…. ich meine Diejenigen, welche keine Galibert’schen Apparate haben. Wenn es Ihnen recht ist, Meister, setzen wir die Nachsuchungen allein fort.«
Marcel und der Maschinenmeister nahmen nun Jeder das Mundstück ihres Luftbehälters zwischen die Zähne, klemmten sich die Nasenöffnung zu und drangen dann tiefer in den alten Stollen ein.
Nach einer Viertelstunde mußten sie einmal umkehren, um den Luftvorrath zu erneuern, dann setzten sie den Weg fort.
Bei der dritten Wiederholung endlich krönte der Erfolg ihre Mühe. In dunkler Ferne erglühte der bläuliche Schein einer elektrischen Lampe durch den dunklen Schatten. Sie eilten hinzu….
An der feuchten Wand lag der arme kleine Karl schon kalt und steif. Seine blauen Lippen, das dunkel geröthete Gesicht und seine Lage selbst sagten deutlich genug, was hier vorgegangen war.
Um etwas von der Erde aufzuheben, hatte er sich gebückt und war buchstäblich in der Kohlensäureschicht ertrunken.
Alle Wiederbelebungsversuche blieben fruchtlos. Der Tod mochte schon vor vier oder fünf Stunden eingetreten sein. Am nächsten Abend zählte der Friedhof von Stahlstadt ein kleines Grab mehr und die arme Frau Bauer stand nicht nur von ihrem Manne, sondern auch von dem einzigen Kinde verlassen in der Welt da.
Siebentes Capitel.
Die Central-Anlagen.
Ein glänzender Bericht des Doctor Echternach, Oberarzt der Section des Albrechts-Schachtes, hatte dargelegt, daß das Ableben Karl Bauer’s, Nr. 41.902, dreizehn Jahre alt, »Fallthürwärter« der Gallerie 228, durch Asphyxie in Folge Aufnahme einer größeren Menge von Kohlensäure in die Athmungsorgane eingetreten sei.
Ein nicht minder glänzender Bericht des Ingenieur Maulesmüthe bewies die Nothwendigkeit, das Ventilations-System bis zur Zone
B
des Planes XIV auszudehnen, deren Stollen schädliche Gasarten durch eine Art langsamer, unmerklicher Destillation ausströmten.
Endlich erwähnte eine Anmerkung desselben Beamten gegenüber der obersten Geschäftsleitung die aufopferungsvollen Bemühungen des Werkführers Rayer und des Gießers erster Classe, Johann Schwartz.
Als der junge Arbeiter sich acht bis zehn Tage später in der Thorwächterstube seine Marke holen wollte, fand er an dem
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