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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Perforationskraft besitzt dieses Geschütz? fragte Marcel, den ein solches Meisterstück unwillkürlich in Erstaunen setzte.
    – Auf zwanzigtausend Meter durchbohren wir mit einem Vollgeschoß eine vierzigzöllige Platte wie eine Butterschnitte!
    – Wie groß ist die Tragweite?
    – Die Tragweite! rief Schultze, der sich allgemach erwärmte. O, Sie meinten, wir als Nachahmer hätten es nicht weiter gebracht als bis zur Verdoppelung der Schußweite der heutigen Kanonen. Nun, mit dieser hier verpflichte ich mich, ein Projectil mit der größten Treffsicherheit bis auf zehn Stunden weit zu schleudern.
    – Zehn Stunden! wiederholte Marcel, zehn Stunden! Da müssen Sie aber ein bisher unbekanntes Pulver anwenden.
    – O, jetzt kann ich Ihnen Alles mittheilen, antwortete Herr Schultze in etwas auffallendem Tone. Es hat nichts mehr zu bedeuten, daß ich Ihnen meine Geheimnisse entschleiere. Das großkörnige Pulver hat sich überlebt. Ich bediene mich nur der Schießbaumwolle, deren Explosivkraft die des gewöhnlichen Pulvers um das Vierfache übertrifft. Eine Kraft, welche ich durch Beimischung von acht Zehnteln ihres Gewichts salpetersauren Natrons noch verfünffache.
    – Der Explosion dieses Pyroxils, wendete Marcel ein, vermöchte aber kein Geschütz, und bestände es aus dem besten Stahl der Welt, Widerstand genug zu leisten. Nach drei, vier, fünf Schüssen wird Ihre Kanone zerstört oder doch unbrauchbar sein.
    – Und wenn sie nur einen Schuß abgiebt, so wird dieser genügen!
    – Der wird sehr theuer zu stehen kommen!
    – Etwa eine Million, so hoch belaufen sich die Herstellungskosten des Geschützes.
    – Ein Schuß für eine Million!….
    – Was thut das, wenn er dafür eine Milliarde zerstört!
    – Eine Milliarde!« rief Marcel.
    Er mußte an sich halten, um nicht das Entsetzen bemerkbar werden zu lassen, das sich der Bewunderung zugesellte, die ihm diese furchtbare Zerstörungsmaschine immerhin einflößte.
    »Das ist ohne Zweifel ein erstaunliches und höchst merkwürdiges Geschütz, es bestätigt aber, trotz aller seiner Vorzüge, nur meinen Ausspruch: Vervollkommnungen, Nachahmung, keine Erfindung!
    – Keine Erfindung! versetzte Herr Schultze achselzuckend. Ich wiederhole, daß ich für Sie keine Geheimnisse mehr haben will. Kommen Sie also!«
    Der König von Stahlstadt und sein Begleiter verließen die Kasematte und begaben sich mittelst eines hydraulischen Fahrstuhls nach einer unteren Etage. Hier befanden sich eine Menge länglicher, cylinderförmiger Gegenstände, welche man aus einiger Entfernung recht wohl für demontirte Geschütze hätte ansehen können.
    »Da sehen Sie unsere Geschosse!« sagte Herr Schultze.
    Jetzt mußte Marcel allerdings anerkennen, daß das, was er hier vor sich sah, nichts ähnelte, was er von früher kannte. Es waren das ungeheure Tuben von zwei Meter Länge und ein Meter zehn Centimeter Durchmesser, äußerlich mit einem Bleimantel überzogen, um genau in die Züge der Seele des Rohres zu passen, an der Rückseite mit verbolzter Stahlplatte verschlossen und an der Spitze mit länglich stählerner Spitze versehen, die in einem Percussionszünder auslief.
    Ueber die eigentliche Natur dieser Geschosse gab ihr äußeres Ansehen noch keinen Aufschluß. Noch lag die Voraussetzung nahe, daß sie im Innern einen furchtbaren Explosionsstoff enthalten möchten, der wahrscheinlich Alles in seiner Art übertraf.
    »Sie werden sich nicht klar? fragte Herr Schultze, als er Marcel schweigend stehen sah.
    – In der That, nein! Wozu in aller Welt ein so langes und dem Anscheine nach so schweres Langgeschoß?
    – Der Schein trügt, erwiderte Herr Schultze, denn das Gewicht desselben weicht nicht besonders von dem einer gewöhnlichen Kugel desselben Kalibers ab…. Nun, Sie sollen Alles wissen!…. Der innerste Theil besteht aus einer langen Spindel von Glas, die mit Eichenholz überkleidet und unter dem Drucke von zweiundsiebzig Atmosphären mit flüssiger Kohlensäure geladen ist.
    Beim Niederfallen erfolgt die Explosion der Umhüllung und die Flüssigkeit kehrt in den gasförmigen Zustand zurück. Die Folge davon ist eine Kälte von ungefähr hundert Grad in der Umgebung und gleichzeitig die Beimischung einer enormen Menge Kohlensäure zu der Atmosphäre.
    Jedes lebende Wesen, das sich im Umkreise von dreißig Meter um die Stelle der Explosion aufhält, wird ebenso durch die Kälte getödtet, wie durch das Gas erstickt. Ich nehme nur dreißig Meter an, um eine Basis für die

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