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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Binnen Kurzem werde ich damit einen Versuch anstellen, der jedem Ungläubigen Gelegenheit bieten soll, hunderttausend Körper, die ich als Leichen zu Boden strecke, mit dem Finger zu berühren.«
    Die »Steine« im Munde glänzten bei diesem Versprechen so herausfordernd, daß Marcel nicht übel Lust verspürte, ein Dutzend davon auszubrechen. Er gewann es aber über sich, seine Arme in Ruhe zu lassen. Noch wußte er ja immer noch nicht Alles, was er hören wollte.
    In der That begann Herr Schultze bald von Neuem:
    »Ich sagte Ihnen, daß nächstens ein Versuch angestellt werden solle.
    – Wirklich? Und wo?…. fragte Marcel.
    – Nun, mit einem dieser Geschosse, das durch mein Riesengeschütz von der obersten Plattform aus über die Cascade-Mounts hinweggeschleudert werden wird!…. Uebrigens auf eine Stadt, welche kaum zehn Stunden weit von uns entfernt liegt, die diesen furchtbaren Donnerschlag nicht erwartet und dessen unausbleibliche Wirkung auch nicht abzuwehren vermöchte. Wir haben heute den 5. September…. nun, am 13. um elf Uhr fünfundvierzig Minuten des Nachts wird France-Ville vom amerikanischen Boden verschwinden! Der Untergang Sodoms wird sein Gegenstück erhalten! Professor Schultze wird von seinem Thurme aus alle Feuer des Himmels entfesseln!«
    Bei dieser allerdings unvorhergesehenen Erklärung drängte sich in Marcel’s Brust alles Blut zum Herzen. Zum Glück bemerkte Herr Schultze nicht, was in ihm vorging.
    »Sehen Sie, fuhr er fort, als handelte es sich um die gleichgiltigsten Dinge, wir erstreben hier das Gegentheil von dem, was die Erbauer France-Villes beabsichtigen. Wir suchen das Geheimniß, das Leben der Menschen abzukürzen, während Jene darnach trachten, es zu verlängern. Ihr Werk ist aber einmal verdammt, und erst aus dem von uns entsendeten Tode soll das Leben ersprießen. Uebrigens erfüllt Alles in der Natur seinen Zweck, und als Doctor Sarrasin in jener Einöde seine Stadt gründete, hat er sie mir, ohne daran zu denken, als bestes Versuchsobject für die Tragweite meiner Geschütze hingestellt!«
    Marcel konnte kaum glauben, was er soeben hörte.
    »Aber, begann er mit unwillkürlich zitternder Stimme, welche einen Augenblick lang die Aufmerksamkeit des Königs von Stahlstadt zu erregen schien, die Einwohner von France-Ville haben Ihnen doch nichts zu Leide gethan? Sie haben, so viel ich weiß, auch nicht die geringste Ursache, mit Ihnen Streit zu führen?
    – Mein Bester, begann Herr Schultze, in Ihrem nach anderen Seiten recht gut organisirten Gehirn lebt noch ein Rest von keltischen Ideen, die Ihnen noch viel Schaden bringen könnten, wenn Sie noch lange zu leben hätten! Das Recht, das Gute und das Böse sind nur relativ verschiedene Dinge, je nach dem Standpunkte, von dem aus man sie betrachtet. Es giebt nichts Absolutes, als die großen Naturgesetze. – Das Gesetz des Kampfes um’s Dasein gehört dahin ebenso wie das der Gravitation. Sich ihm entziehen zu wollen, ist reiner Unsinn; sich ihm zu fügen und in der von ihm bezeichneten Richtung zu wirken, ist das einzige Rechte und Vernünftige, und aus diesem Grunde werde ich Doctor Sarrasin’s Stadt zerstören. Mit Hilfe meiner Kanonen werden meine fünfzigtausend Deutschen leicht genug mit jenen hunderttausend Träumern fertig werden, die nun einmal unterzugehen bestimmt sind!«
    Da Marcel die Nutzlosigkeit jedes Versuches, Herrn Schultze’s Anschauungen zu ändern, von vornherein einsah, setzte er das Gespräch nicht weiter fort.
    Beide verließen nun den Geschoßraum, dessen geheime Thüren wieder verschlossen wurden, und begaben sich nach dem Speisezimmer zurück.
    So als ob gar nichts vorgefallen sei, führte Herr Schultze hier seinen Bierkrug zum Munde, ließ eine Glocke ertönen, verlangte eine andere Pfeife an Stelle der zerbrochenen und fragte den Kammerdiener:
    »Sind Arminius und Sigimer bei der Hand?
    – Gewiß.
    – Sage ihnen, sie sollen nicht weggehen, damit ich sie rufen kann.«
    Als der Diener das Zimmer verlassen, wandte sich der Stahlkönig gegen Marcel und schaute diesem gerade in’s Gesicht.
    Dieser schlug die Augen nicht nieder vor jenem Blicke, der selbst metallische Härte angenommen zu haben schien.
    »Sie denken das erwähnte Vorhaben wirklich auszuführen? fragte er noch einmal…
    – Natürlich. Ich kenne die Lage von France-Ville genau auf das Zehntel einer Secunde bezüglich der Länge und Breite, und am 13. September um elf Uhr fünfundvierzig Minuten Nachts wird die Stadt aufgehört

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