Die fünfhundert Millionen der Begum
Ohne allen Zweifel, antwortete Marcel.
– O, das freut mich so sehr! Wie viel Mühe und Arbeit verursacht doch oft das Kleinste!…. Sie sagten mir, daß das Ingenieurcorps gestern fünfhundert laufende Meter neue Gräben gezogen habe; das ist viel, nicht wahr?
– O nein, das ist noch nicht genug. Auf diese Weise würden wir die Umwallung vor Ende des Monats nicht fertig haben.
– Ich möchte sie gerne ausgeführt und die abscheulichen Leute Schultze’s im Anzuge sehen! Ach, die Männer sind so glücklich, jetzt handeln und sich nützlich machen zu können. Das Warten ist für sie gewiß ebenso ermüdend wie für uns, die wir zu nichts taugen.
– Zu nichts taugen! rief Marcel, der sonst weit ruhiger sprach, Sie und zu nichts taugen! Für wen mühen sich denn, Ihrer Ansicht nach, jene braven Leute ab, die Alles verlassen haben, um jetzt Soldaten zu werden, wenn sie dadurch nicht die Ruhe und das Glück ihrer Mütter, ihrer Frauen und Verlobten behüten wollen? Wer verleiht ihnen den Feuereifer, wenn nicht Sie, wem wollen Sie diese Opferfreudigkeit zuschreiben, wenn nicht….«
Etwas verwirrt hielt Marcel bei diesem Worte ein. Jeanne erwiderte nichts auf seine Rede und die gute Frau Sarrasin sah sich genöthigt, der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben, indem sie dem jungen Manne gegenüber behauptete, daß bei den Meisten wohl das einfache Pflichtgefühl für ihren Eifer eine hinreichende Erklärung gäbe.
Wenn Marcel dann der unerbittliche Zwang der Verhältnisse aus dem trauten Kreise abrief, so entzog er sich zwar nur ungern der wohlthuenden Plauderei, aber er nahm den unerschütterlichen Entschluß mit sich fort, France-Ville zu retten bis zum geringsten seiner Bewohner.
Er dachte kaum daran, wie sich die Ereignisse gestalten könnten, offenbar die natürliche Folge des jetzigen Zustandes der Dinge, wo Alles, entsprechend dem Grundgesetze von Stahlstadt, auch hier in der Hand eines Einzigen lag.
Fünfzehntes Capitel.
Die Börse von San-Francisco.
Die Börse von San-Francisco – gleichsam der condensirte und gewissermaßen algebraische Ausdruck einer ungeheuren Industrie-und Handelsthätigkeit – ist eine der lebhaftesten und eigenartigsten der Welt. Als natürliche Folge der geographischen Lage der Hauptstadt Kaliforniens zeigt auch sie den kosmopolitischen Charakter, der jene so auffallend kennzeichnet. Unter ihren Säulengängen von herrlichem rothen Granit trifft der blondhaarige, hochgewachsene Angelsachse zusammen mit dem gebräunten, dunkellockigen, mit beweglicherem und feinerem Gliederbau ausgestatteten Kelten. Der Neger begegnet hier dem Finnländer und dem Hindu. Erstaunt sieht der Polynesier neben sich den Grönländer. Der Chinese mit schiefer Augenspalte und sorgfältig gepflegtem Zopfe sucht den Japanesen, seinen historischen Feind, zu übervortheilen. Alle Sprachen, alle Mundarten schwirren hier, wie in einem modernen Babel, durcheinander.
Die Eröffnung dieses in seiner Art einzig in der Welt dastehenden Mammonstempels erfolgte am 12. October ganz wie gewöhnlich. Schlag elf Uhr sah man die bedeutendsten Mäkler und Geschäftsagenten, lustig oder ernsthaft, je nach besonderem Temperamente, herankommen, Händedrücke wechseln und sich nach dem Restaurant begeben, um die Tages-Operationen durch ein Sühnopfer einzuleiten. Einer nach dem Anderen öffneten sie dann das kleine Kupferthürchen der numerirten Kästen im Vorraume, welche die Correspondenzen der Abonnenten enthalten, zogen ganz gewaltige Briefpackete daraus hervor und durchflogen diese mit zerstreuten Blicken.
Bald entwickelten sich die ersten Tageskurse, während die geschäftige Menge nach und nach anwuchs. Aus den zahlreicher gewordenen Gruppen stieg ein leichtes Murmeln auf.
Von allen Gegenden der Erde regnete es bald telegraphische Depeschen. Es verging kaum eine Minute, ohne daß ein mit lauter, alles Geräusch übertönender Stimme vorgelesener blauer Papierstreifen die an der Nordwand des Saales angeheftete Sammlung von Telegrammen vermehrte.
Von Minute zu Minute wurde die Bewegung lebhafter. Eilig liefen die Handlungsagenten herzu oder wieder weg, stürzten nach dem Telegraphen-Bureau und brachten Antworten dorthin. Alle Taschenbücher waren geöffnet, mit Notizen und Durchstreichungen bedeckt oder theilweise gar zerrissen. Die ganze Menschenmenge schien eine ansteckende Tollheit ergriffen zu haben, als gegen ein Uhr irgend eine geheimnißvolle Neuigkeit alle Gruppen wie ein Schauder zu packen schien.
Eine
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