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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ihnen von Stahlstadt seit dreizehn Tagen weder ein Brief, noch irgend eine Deckung zugegangen; daß sich seit eben dieser Zeit die von Herrn Schultze auf ihre Casse gezogenen Tratten und Checks täglich mehr angehäuft hätten, um dem Schicksale aller übrigen zu verfallen, das heißt mit der Bezeichnung
no effects
(keine Deckung) nach ihrem Ursprungsorte zurückzuwandern.
    Vier Tage lang stürmten einerseits auf Stahlstadt, andererseits auf obige Bankfirma Bitten um Aufklärung, unruhige Telegramme und wüthende Anfragen haufenweise ein.
    Endlich war aus Stahlstadt eine Antwort eingetroffen.
    »Herr Schultze, so lautete das betreffende Telegramm, seit 17. September verschwunden. Niemand vermag diese geheimnißvolle Thatsache aufzuhellen. Er hat keine Ordres hinterlassen und die Abtheilungscassen sind leer.«
    Von jetzt ab konnte die Wahrheit nicht mehr verheimlicht werden. Die Hauptgläubiger hatten Angst bekommen und ihre Papiere bei den Handelsgerichten deponirt. Binnen wenigen Stunden verbreitete sich der Zusammensturz mit Blitzeseile und riß sein Gefolge von secundären Bankerotten nach sich. Am Mittag des 13. October belief sich die Summe der angemeldeten Forderungen auf 47,000.000 Dollars. Allem Anscheine nach betrugen die gesammten Passiva unter Hinzurechnung der kleineren Schulden nahe 60,000.000 Dollars.
    Das war Alles, was man wußte und was die Journale, vielleicht noch mit einigen Uebertreibungen, berichteten. Selbstverständlich stellten alle ohne Ausnahme für den folgenden Tag die verläßlichsten, eingehendsten Nachrichten in Aussicht.
    Und wirklich hatte sich jede Zeitung in erster Stunde beeilt, ihre Correspondenten nach Stahlstadt auszuschicken.
    Vom Abend des 14. October ab sah sich Stahlstadt plötzlich von einer ganzen Armee Berichterstatter mit geöffnetem Notizbuche und gespitztem Bleistifte in der Hand belagert. Wie eine Woge am Felsenufer brach sich diese Armee aber an der äußeren Umwallung des Riesen-Etablissements. Die Wachen bezogen daselbst ihre Posten nach wie vor, und die Reporter konnten alle möglichen Verführungsmittel versuchen, es gelang doch Keinem, jene pflichtvergessen zu machen.
    Immerhin gelangten sie zu der Ueberzeugung, daß die Arbeiter nichts wußten und daß in deren betreffender Section eine Veränderung nicht eingetreten sei. Die Werkmeister hatten jedoch am letzten Abend auf höheren Befehl mitgetheilt, daß in den Abtheilungscassen kein Geld mehr vorhanden, aus dem Centralblock auch weitere Instruction nicht eingegangen sei, in Folge dessen, außer bei Widerruf dieser Ankündigung, die Arbeiten am nächsten Sonnabend eingestellt werden würden.
    Alles das trug mehr dazu bei, die Situation zu compliciren, als sie zu klären. Nur darüber war Niemand länger im Zweifel, daß Herr Schultze seit fast einem Monate verschwunden sei. Dagegen kannte Keiner den Grund dieses Verschwindens oder vermochte die endlichen Folgen zu übersehen. Trotz aller Beunruhigung herrschte doch immer noch das unbestimmte Gefühl, daß die mysteriöse Persönlichkeit jede Minute wieder erscheinen könne.
    Im Laufe der ersten Tage nahmen die Arbeiten in den Werkstätten ihren Fortgang im gewohnten Tempo. Jedermann beschäftigte sich innerhalb seines beschränkten Gesichtskreises nur mit der eigenen Aufgabe. Die Abtheilungscassen hatten jeden Sonnabend die fälligen Löhne ausbezahlt. Die Hauptcasse deckte bisher die localen Bedürfnisse. In Stahlstadt war die Centralisation aber so sehr auf die Spitze getrieben und hatte sich der Besitzer eine so ausnahmslose Aufsicht über den ganzen Geschäftsgang ganz allein vorbehalten, daß seine Abwesenheit schon nach kurzer Frist den nothwendigen Stillstand des ganzen Getriebes herbeiführen mußte. So kam es, daß seit dem 17. September, dem Tage, an welchem der Stahlkönig seine letzten Anordnungen unterzeichnete, bis zum 13. October, wo die Hiobspost der Zahlungseinstellung wie ein Donnerschlag eintraf, Tausende von Briefen – darunter unzweifelhaft viele mit beträchtlichen Geldsendungen – mit der Stahlstadter Post anlangten, im Briefkasten des Centralblocks abgegeben und jedenfalls auch in Herrn Schultze’s Arbeitszimmer befördert wurden, nur hatte er sich allein das Recht vorbehalten, sie zu eröffnen, mit einem Rothstiftstrich als erledigt zu bezeichnen und ihren Inhalt dem Hauptcassier auszuantworten.
    Selbst die höchsten Beamten des Werkes hätten sich niemals unterfangen, über den bestimmten Kreis ihrer Thätigkeit hinauszugehen.

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