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Die fünfhundert Millionen der Begum

Die fünfhundert Millionen der Begum

Titel: Die fünfhundert Millionen der Begum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Besaßen sie ihren Untergebenen gegenüber eine fast unbeschränkte Machtvollkommenheit, so glichen sie doch Herrn Schultze – und sogar dessen Erinnerung – gegenüber nur leblosen Werkzeugen ohne Autorität und Initiative. Jeder verschanzte sich hinter der Verantwortlichkeit seiner Stellung, hatte gewartet, aufgeschoben und die Ereignisse »kommen sehen«.
    Endlich waren sie wirklich gekommen. Die eigenthümliche Lage verschleppte sich bis zu dem Zeitpunkte, wo die hauptsächlich interessirten und plötzlich erschreckten Geschäftsfreunde telegraphirten, Antwort begehrten, reclamirten, protestirten und endlich gesetzliche Schritte thaten. Hierzu entschloß man sich nicht allzu schnell. Keinem wollte es einleuchten, daß ein so weltbekanntes Vermögen wirklich auf thönernen Füßen ruhe. Jetzt freilich lag die Thatsache offen vor Augen: Herr Schultze hatte sich seinen Gläubigern durch die Flucht entzogen.
    Das war Alles, was die Berichterstatter erfahren konnten. Selbst der berühmte Meiklejohn, dadurch bekannt, daß es ihm gelang, dem General Grant, dem schweigsamsten Manne unseres Jahrhunderts, politische Geständnisse abzulocken, und der unermüdliche Blunderbuß, weit bekannter als der Erste, der, ein einfacher Correspondent des »World«, dem Czar die große Neuigkeit von dem Falle Plewnas überbrachte, selbst diese Haupthelden des Reporterthums waren diesmal nicht glücklicher gewesen als ihre Genossen. Sie mußten eingestehen, daß weder die »Tribune« noch der »World« schon das letzte Wort bezüglich des Fallissements Schultze’s sprechen könnten.
    Was dieses industrielle Unglück aber zu einem Ereigniß ohnegleichen stempelte, das war die sonderbare Lage Stahlstadts als einer unabhängigen, gänzlich isolirten Ansiedlung, welche jedes regelrechte gesetzliche Eingreifen unthunlich machte. Freilich war die Unterschrift des Herrn Schultze in New-York protestirt worden und die Gläubiger desselben durften wohl voraussetzen, daß die durch das Werk selbst repräsentirten Activa zur Befriedigung ihrer Forderung ziemlich hinreichen würden. An welchen Gerichtshof aber sollten sie sich wenden, um eine Beschlagnahme oder die Stellung unter Sequester durchzusetzen? Stahlstadt bildete bis heute noch ein für sich bestehendes, nicht in den Staatsverband aufgenommenes Territorium, wo Alles nur Herrn Schultze gehörte und von ihm abhing. Wenn er nur wenigstens einen Repräsentanten, einen Verwaltungsrath oder einen Stellvertreter zurückgelassen hätte! Hier war aber nur er allein der König, der Oberrichter, der commandirende General, der Notar, der Sachwalter und das Handelstribunal seiner Stadt. In seiner Person verkörperte sich das Ideal der Centralisation. Sobald er fehlte, standen die Anderen dem einfachen Nichts gegenüber, und das ganze kolossale Gebäude stürzte wie ein Kartenhaus zusammen.
    Unter allen anderen Verhältnissen hätten die Gläubiger ein Syndicat bilden, an die Stelle des Herrn Schultze treten, die Hand nach seinem Vermögen ausstrecken und sich der Leitung des Geschäftes bemächtigen können. Allem Anscheine nach würden sie sich überzeugt haben, daß es dem ganzen Räderwerke zum Fortgange nur augenblicklich an ein wenig Geld und einer regulirenden Triebkraft mangle.
    Das blieben aber Alles fromme Wünsche. Es fehlte an dem Gesetze, diese Substitution durchzuführen. Man stand hier vor einer moralischen Sperre, welche sich vielleicht noch unübersteiglicher erwies als die rings um Stahlstadt aufgeworfenen Wälle. Die bedauernswerthen Gläubiger sahen die Deckung für ihre Forderung vor Augen, aber ebenso die Unmöglichkeit, sich dieselbe anzueignen.
    Es blieb ihnen nur der Ausweg, sich zu einer allgemeinen Versammlung zu vereinigen, ihre Angelegenheiten zu berathen und eine Eingabe an den Congreß zu richten mit dem Ersuchen, sich ihrer Sache anzunehmen, das Interesse der Staatsbürger zu sichern, Stahlstadts Einverleibung in den amerikanischen Bundesstaat auszusprechen und auf diese Weise jene monströse Schöpfung dem gemeinen Rechte civilisirter Länder unterzuordnen. Mehrere Congreßmitglieder waren persönlich bei der Angelegenheit interessirt; das Gesuch hatte, von mehr als einem Gesichtspunkte aus, etwas Verführerisches für den amerikanischen Volkscharakter, und man durfte sich wohl der Hoffnung auf durchschlagenden Erfolg hingeben. Leider hielt der Congreß jetzt keine Sitzungen ab und es stand ein langer Aufschub bevor, ehe ihm die Angelegenheit unterbreitet werden

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