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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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komische Frage.»
    «Ich weiß, dass Sie zur Kirche gehen. Ich weiß, dass Sie Vater Ellis unterstützen. Aber ich weiß nicht wirklich, was Sie glauben.»
    «Und das werden Sie auch nie wissen», sagte Judith schneidend. «Warum interessiert Sie das, worauf wollen Sie hinaus?»
    «
Glauben
Sie an die Unruhe der Toten?»
    Judith Prosser betrachtete Merrily über das Grabmal hinweg, ihre Augen waren halb geschlossen. «Die Toten sind immer ruhig, Mrs.   Watkins. Die Toten sind tot, und nur die Schwachen haben vor ihnen Angst. Sie können uns nicht berühren. Und wir können sie vermutlich   …» Sie legte vorsichtig einen Finger auf die Inschrift mit Mennas Namen, «auch nicht berühren.»
    «Sie meinen Mr.   Weal.»
    «Mr.   Weal ist eine tragische Figur, oder sehen Sie das anders? Er wollte das haben, was er in Menna gesehen hat. Ihm gefiel es, dass sie still war, dass sie höflich zu ihrem Vater war und nicht mit Jungs ausging. Eine echte, dreidimensionale Frau war J.   W. viel zu kompliziert. Er wollte den Schatten einer Frau.»
    Oh mein Gott.
    Merrily sagte: «Sie müssen mir das sagen. Wenn nicht Sie selbst, hat irgendjemand anders den   … Geist von Menna Weal gesehen?»
    Judith machte ein verächtliches Geräusch. Sie drehte sich zurSeite, knöpfte ihren Mantel auf und wandte sich Merrily mit den Händen auf den Hüften wieder zu.
    «Die Zeit läuft, meine Liebe. Was schlagen Sie jetzt vor?»
    «Also   … ich werde ein paar Gebete sprechen. Was ich eigentlich tun sollte, ist, ein Seelenamt abzuhalten. Aber dafür sollten wir wirklich mehrere sein. Wie ich heute Morgen schon sagte, es wäre besser, wenn Mr.   Weal bei uns wäre.»
    «Und wie
ich
schon sagte, das ist unmög–»
    «Oder Barbara. Wenn Barbara hier wäre, würde   –»
    Merrily hörte ihre eigenen Worte von den Betonwänden widerhallen. Sie zuckte von dem Grab weg, als wäre es vermint.
    So ein großes Grab für so einen kleinen Körper.
    Judith sah sie neugierig an.
    Merrily wusste, dass sie blass geworden war. «Judith   …?»
    «Sprechen Sie weiter», sagte Mrs.   Prosser. «Wir sind ja unter uns, beinahe jedenfalls.»
    Merrily schluckte. Der Schal schien ihr den Hals zuzuschnüren.
    «Was hätte J.   W.   Weal Ihrer Meinung nach gemacht, wenn er herausgefunden hätte, dass Barbara Buckingham über Mennas Exorzismus, den Vater Ellis auf sein Geheiß durchgeführt hat, im Bilde war?»
    «Was um alles in der Welt soll ich dazu sagen?» Sie trat einen Schritt zurück.
    Jetzt blickten sie beide auf das Grab.
    «Oh, ich
verstehe
», sagte Judith.
    Merrily sagte nichts.
    «Sie meinen, was genau hat er mit der Leiche gemacht, nachdem er das Auto versenkt hat?»
    Merrily sagte nichts.
    «Liegt Barbara vielleicht unter ihrer armen Schwester? Lagen ihre sterblichen Überreste, in dieser feinen englischen Kleidung,womöglich in dem Betonbett, als Mennas Sarg zur ewigen   … Unruhe gebettet wurde?»
    Merrily biss sich auf die Lippe.
    «Kommen Sie schon! Haben Sie das gemeint?»
    «Es sieht sehr tief aus», sagte Merrily. «Und   … wie Sie schon sagten, hat der Steinmetz die ganze Nacht durchgearbeitet.»
    «Gut!», sagte Judith herausfordernd. «Dann sehen wir doch einfach nach.»
    Merrily stand mit dem Rücken an der Tür.
    «Oh, Mrs.   Watkins, glauben Sie wirklich, der arme J.   W. hätte es über sich gebracht, sich von seiner geliebten Menna so
endgültig
zu verabschieden? Welchen anderen Grund sollte ein Mann wie er haben, diesen ganzen Ärger auf sich zu nehmen?» Sie zeigte auf das Grab.
    Von der Tür aus konnte Merrily deutlich erkennen, dass der Deckel des Grabes beweglich war.
    «Er ist sehr schwer», sagte Judith. «Sie müssen mir wahrscheinlich helfen.»
     
    Merrily erinnerte sich daran, wie ihre Mutter sie mitgenommen hatte, als sie sich um die Beerdigung ihrer Großmutter gekümmert hatte. Die Tür zum Totenzimmer des Bestattungsunternehmers hatte offen gestanden. Merrilys Mutter dachte, sie sei noch zu klein, um zu verstehen, was eigentlich passierte. Aber nicht zu jung, um den Geruch nach Formaldehyd wahrzunehmen.
    Sie war vier Jahre alt gewesen und hatte sich an diesem Abend nicht getraut, ins Bett zu gehen, ohne zu wissen, warum. Aber da war diese unklare, furchtbare Angst, das Gefühl eines tiefen, unangenehmen Geheimnisses.
    Das wiederkehrte, als Judith den massiven Eichendeckel des Grabes bewegte. Ohne Hilfe. Judith sah in das Grab und lächelte.
    Die Toten sind immer ruhig, Mrs.   Watkins. Die Toten sind

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