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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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zu lassen, aber Gomer hatte gesagt, wenn sie nicht den Rest der Nacht auf irgendeiner Polizeistation verbringen wollten, hätten sie keine andere Wahl.
    Der Doktor hatte ihnen gesagt, dass Mom mit Vater Ellis weggegangen war, der gerade einen Gottesdienst in der Halle abhielt. Dann hatte der Doktor den Rest seiner Würde zusammengekratzt und war über den Schulhof gegangen, seine Arzttasche schwang hin und her, als wäre er zu einem Hausbesuch gerufen worden.
    Drecksack.
    Durch das erleuchtete Kreuz auf dem Dach konnte man die Dorfhalle kaum verfehlen. Sobald man die Stufen hinaufging, hörte man den Gesang. Ein Lied, das nicht eine, sondern viele Melodien hatte, und viele Worte, die aber keinen Sinn ergaben.
    Jane lief die Stufen hinauf und sah, dass die Halle hell erleuchtet war. Gleichzeitig merkte sie, dass Gomer hinter ihr mühsam keuchte. Es war ein strapaziöser Abend gewesen, und man vergaßimmer wieder, wie alt er war und wie viele Selbstgedrehte er rauchte. Sie blieb auf halber Höhe stehen und wartete auf ihn.
    Später dachte sie – nachdem das Glas auf der Veranda zersprungen war und die Flammen mit einem gigantischen Hitzeknall herausschossen   –, dass Gomers Lungen ihnen wahrscheinlich das Leben gerettet hatten.

51
Gebettet zur ewigen Unruhe
    Die Lorbeerbaumallee.
    Merrily konnte nur ihre Umrisse erkennen, geriffelte schwarze Wände unter dem müden alten Mond.
    «Wir könnten eine Fackel gebrauchen.»
    «Ach, es ist hell genug», sagte Judith, «wenn man den Weg kennt.»
    Sie nahm Merrilys Arm und führte sie hinunter bis zur Weggabelung. «Vorsicht, Stufe, jetzt.»
    Merrily erinnerte sich an Mariannes Hand auf ihrem Arm, als die Polizei gekommen war.
«Es gibt was, das Sie wissen sollten.»
Judiths Griff war fester. Woran glaubte Judith? An Geister nicht, vielleicht nicht mal an Gott – abgesehen vielleicht von einer speziellen ortsansässigen Gottheit, dem Schutzgeist von Old Hindwell.
    An der Ecke des Pfarrhauses, wo der Weg sich gabelte, hielt Merrily nach einem Auto Ausschau, aber es war keins zu sehen. J.   W.   Weal war bei den Freimaurern. Ein Abend in der Loge: ein krudes Ritual, das sein ohnehin schon starres Leben noch mehr einengte.
    Die Polizei war auch nicht mehr da. Überhaupt schien nicht mehr viel los zu sein am Gatter vor St.   Michael. Es war nichts zu sehen oder zu hören gewesen, als Merrily und Judith am Bauernhof vorbeigegangen waren.
    Sie gingen über den asphaltierten Vorplatz und dann über den unregelmäßig gepflasterten Weg bis zum Rasen. Einmal sah Merrily sich nach dem grauen Pfarrhaus um, nach der Ausbuchtung des Erkerfensters: kein Licht, keine Schatten, kein Flackern   …
    Hör auf damit!
    «Ist irgendwas, Mrs.   Watkins?»
    «Nein, überhaupt nichts, Mrs.   Prosser.»
    Am Ende des Rasens stand, blassgrau und schwach leuchtend, das gedrungene kegelförmige Gebäude   … das neue Grab. Merrily stolperte über einen kleinen Erdhügel; Judiths Arm griff nach ihrer Taille und half ihr auf. Merrily versteifte sich. Ungefähr hier hatte Weal seine Arme um sie geschlungen und sie hochgehoben.
«Men-na.»
    Merrily erzitterte.
    «Sie haben Angst», sagte Judith.
    «Mir ist kalt.» Sie klemmte sich ihre blaue Tasche unter den Arm.
    «Wie Sie wollen.» Judith zog mit den Zähnen einen ihrer Lederhandschuhe aus und holte etwas Klimperndes aus ihrer Tasche: die Schlüssel zum Mausoleum. «Da drin ist es allerdings leider noch kälter.»
     
    Als Betty eine Weile gesprochen hatte – ruhig, prägnant, vernichtend   –, stand jemand auf und machte das Licht an. Zeit für die harte Realität.
    Es war ein bedeutungsvoller Moment. Robin sah sich bestürzt im Wohnzimmer um: die feuchten Flecken an der Wand, das schwache Feuer aus rauchenden, grünen Ästchen, die traurige Versammlung geschmückter Hexen und die Lichterkrone auf dem Boden, die aussah, als wäre sie am Ende des Schuljahres von einer Klasse unfertig zurückgelassen worden.
    Es sah aus wie bei einer Kostümparty, die nie richtig losgegangenwar. Verwirrung, Unglaube, Verlegenheit lagen in der Luft und hatten jeden ergriffen – außer Ned Bain, der immer noch völlig entspannt im Lotussitz mit seinem Hintern auf den Fliesen saß.
    Betty in ihrem mittelalterlichen grünen Kleid war keine Reaktion anzusehen. Robin hatte keine Ahnung, woher sie diese Sachen über Ned wissen konnte. Hatte sie Neds Lebensgeschichte da gehört, wo sie letzte Nacht gewesen war? Und kein Wort zu Robin, der ja so ein

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