Die fünfte Kirche
einen Eindruck zu verschaffen. Ich habe mich gleich in die Gegend verliebt.»
Bain erzählte, dass die Archäologen zu der Zeit gerade ihre Ausgrabungen machten, auf der anderen Seite des Flusses, gegenüber der Kirche, und sich langsam zeigte, von welch immenser Bedeutung die Stätte einst für die Heiden gewesen war. «Ein Archäologe sagte zu mir, er wüsste zu gern, was sich unter der Kirche befindet. Runder Kirchhof, vorchristliche Stätte. Und dann bin ich mal selbst rübergegangen und hab einen scharfsinnigen alten Kerl getroffen, der gesagt hat, er hätte sie gerade gekauft.»
«Major Wilshire», sagte Robin. Er konnte nicht fassen, was sich da langsam abzeichnete.
«Ich habe nicht besonders auf ihn geachtet, weil mich die Atmosphärevöllig umgehauen hat. Während ich mit dem Typ sprach, hatte ich … die Vision. Das war viel mehr als eine Inspiration: Die Vergangenheit und die Zukunft hatten sich in der Gegenwart vereinigt.
Bumm.
Mir wurde klar, wie wunderbar es wäre, wenn die Macht dieser Stätte in die richtigen Bahnen gelenkt werden könnte. Wenn diese Kirche wieder zu einem Tempel würde.»
«Direkt vor der Nase deines fundamentalistischen christlichen Bruders», sagte Betty ruhig.
«Es war eigentlich umgekehrt», sagte Bain mit erhobener Stimme. «Ich war Simon zum ersten Mal geradezu dankbar, dass er mich hierhergeführt hatte. Das war eine echte Ironie des Schicksals. Aber die Kirche war gerade verkauft worden, da war nichts mehr zu machen. Also bin ich nach London zurückgefahren. Ihr könnt euch vorstellen, wie ich reagiert habe, als ich nur ein paar Monate später gehört habe, dass die Kirche von Old Hindwell und der dazugehörige Bauernhof wieder zu haben waren.»
«Nein», sagte Betty kalt. «Das kann ich mir nicht vorstellen. Wie hast du denn genau reagiert?»
«Betty», sagte Max, «ich finde es nicht richtig, ihn im Voraus zu verurteilen.»
Ned sagte: «Ich wollte einfach, dass es jemand kauft, der dem Heidentum aufgeschlossen gegenübersteht.»
In Robins Kopf gingen mehrere Glühbirnen gleichzeitig an.
Das eigentliche Grabmal war größer, als Merrily erwartet hatte: ungefähr zwei Meter lang, einen Meter breit und mehr als einen Meter hoch. In die Seitenpaneele war ein kunstvolles Muster miteinanderverbundener Kreuze geschnitzt worden. Der Deckel bestand aus einer etwa zehn Zentimeter dicken Eichenplatte. Die Seitenwände des Grabmals waren in einen Steinsockel einbetoniert worden.
«Alles
heimische
Steine», sagte Judith stolz. «Aus dem Steinbruch.»
«Das muss aber sehr schnell gemacht worden sein, oder?»
Judith schloss die Eichentür, sodass ihre Stimmen zwischen den dicken Betonwänden schärfer klangen. Die Kammer war ungefähr sechs Meter im Quadrat, und es befand sich nichts darin außer dem Grab und ihnen beiden, und der toten Menna.
Judith sagte: «Mal Walters, der Steinmetz, ist seit Jahren J. W.s Klient. Er hat die Nächte durchgearbeitet.»
«Verstehe.»
Judith Prosser stand am Kopfende des Grabes und sah in ihrem schlauchförmigen schwarzen Mantel beunruhigenderweise aus wie eine Pfarrerin. Ihr kurzes, volles Haar war gebleicht, ihre zinnfarbenen Ohrringe waren flache, metallene Pyramiden. Sie wartete. Ein hämisches Lächeln lag auf ihren Lippen.
«Ich dachte …» Merrily stellte ihre Tasche ab, in der sich ihre Anfängerexorzisten-Ausrüstung befand. «Ich dachte, ich halte es möglichst schlicht.»
Aber sollte sie es überhaupt hier machen, nicht lieber in dem großen Raum hinter dem Erkerfenster, in dem die «Taufe» stattgefunden hatte?
Ja, sollte sie. Sie wollte die Komplikationen vermeiden, die es mit sich bringen würde, einem Raum den Frieden wiederzugeben, dessen Atmosphäre offenbar von einem anderen Pfarrer zerstört worden war. Außerdem war sie von Mennas engster Verwandter gebeten worden, den Geist zu beruhigen. Niemand hatte sie gebeten, sich den anderen Raum vorzunehmen, schon gar nicht Weal. Sie wollte dort nicht hineingehen, wollte sein Haus nicht in seinerAbwesenheit betreten. Sie brauchte wirklich jemanden, der sie anleitete. Hätte sie gewusst, dass es zu dieser Situation kommen würde, hätte sie vorher ihren spirituellen Ratgeber angerufen, Huw Owen. Aber dafür war keine Zeit gewesen.
Judith ging zu einem Doppelschalter an der Tür, und das Licht über dem Kopfende des Grabes ging aus, sodass nur noch Mennas Grabmal von einem warmen Licht beschienen wurde.
«Sind Sie Christin, Mrs. Prosser?»
«Was für eine
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