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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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von mir, ich weiß, aber ich vertraue den Menschen, und es ist ja auch noch nie etwas weggekommen. Aber als sie ging, habe ich gesehen, dass der Schlüssel weg war.»
    Weal ragte über Merrily auf. «Hast du die Polizei gerufen?»
    «Dann habe ich sie heute Abend die Straße entlangkommen sehen. Ich dachte, ich folge ihr besser, und dann habe ich gesehen, wie sie hier aufgeschlossen hat und hineingegangen ist. Und als ich selbst hereinkam, hatte sie das da schon gemacht.» Beide sahen auf das offene Grab. «Widerliche kleine Hexe. Ich hätte sie nicht anrühren sollen, aber, wie du schon gesagt hast, sie hat angefangen. Wie eine Katze.»
    «Ich hasse Katzen, wie du weißt.»
Wie schlau sie war.
    Merrily spürte, dass ihr linkes Auge anschwoll. Sie sah zu Weal empor. Es war, als befände sie sich unter einem verwitterten Denkmal. Sie hatte nicht den Eindruck, als hätte es irgendeinen Sinn, ihm zu sagen, dass Judith sie mit psychopathischem Scharfsinn hierhergelockt hatte. Judith wusste genau, dass Merrily sich wegen Barbara Buckingham Vorwürfe machte.
    «Warum haben Sie das getan? Warum sind Sie hierhergekommen? Warum wollen Sie immer meine Frau sehen?»
    J.   W.   Weal sah sorgenvoll auf sie hinab. Merrily spürte ganzdeutlich, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er sprach langsam, mit belegter Stimme.
    «Die Wahrheit ist», sagte Judith, «dass sie eine Hetzkampagne gegen Vater Ellis anführt.»
    «Vater Ellis ist   … ein guter Mann», sagte Weal ruhig.
    Nein, es war keine Ruhe, eher Erschöpfung. Als stünde er unter Drogen, als sei er nicht ganz da. Als lebte ein Teil von ihm ganz woanders, wo es grau und lichtlos war. Merrily lag in ihrem Kokon aus Schmerz, wie losgelöst, aber ihre Sinne waren hellwach.
    «Sie soll die Exorzistin der Diözese Hereford sein», sagte Judith zu Weal. «Es gefällt ihr nicht, Ellis in der Nähe zu haben – einen Priester, dem sie nicht das Wasser reichen kann. Wie sollte
so
eine Frau auch das schaffen können, was er vollbringt?»
    Merrily versuchte aufzustehen. Judith stieß sie sofort wieder zu Boden, und sie taumelte in die Ecke neben der Tür. Judith trug wieder ihre Lederhandschuhe, vielleicht, um die Spuren ihres Angriffs zu verbergen. Merrilys Gesicht fühlte sich taub und verzerrt an. Sie fragte sich, ob ihr Jochbein gebrochen war. Sie fragte sich, wie dieser Abend enden würde. Es war wie ein böses Spiel.
    «Sie hat mir eine wirre Geschichte erzählt», sagte Judith Prosser. «Dass Barbara Buckingham ermordet worden ist und hier begraben liegt.» Wieder nickte sie in Richtung des offenen Grabes.
    Warum, in Gottes Namen, schlossen sie es nicht wieder?
    «Buckingham?», sagte Weal unsicher. Was
stimmte
bloß nicht mit ihm?
    «Barbara
Thomas

    «Ermordet?»
    «
Sie
glaubt, dass Barbara ermordet wurde.» Ihre Stimme war jetzt mädchenhaft und schadenfroh, fast fröhlich. «Sie denkt, du warst es, Jeffery.»
    Merrily sah ihn nicht an. Sie konnte förmlich hören, wie er im Geiste versuchte, sich einen Reim darauf zu machen.
    «Weil   … Barbara Thomas   … zu mir gekommen ist?»
    Als würde er versuchen, sich an etwas zu erinnern. «Weil sie   … mich beschuldigt hat?»
    «Hat sie das?», fragte Merrily.
    «Mund halten!» Judith kam auf sie zu. Merrily fuhr zurück. Wenn sie auf die Füße käme, könnte sie vielleicht   … aber da war ja auch noch Weal.
    «Wenn du sie zu schwer verletzt», sagte er ernst zu Judith, «dann kann ich dir vielleicht nicht mehr helfen.»
    Merrily schloss die Augen. Denk nach! Barbara glaubt, dass Weal für Mennas Tod verantwortlich ist, also geht sie zu ihm und beschuldigt ihn, Mennas Tod verursacht zu haben, indem er zugelassen hat, dass sie bei Ellis’ perversem Ritual mitmacht. Und was macht Weal? Was hat er mit Barbara gemacht?
    Nichts.
    Die Art, auf die er jetzt sprach, die beinahe naive Pedanterie, mit der er diese Situation aus juristischer Perspektive betrachtete, machte eins deutlich: Dieser Mann war kein Mörder.
    Es gibt nur einen Mörder.
    «J.   W.», sagte Merrily. «Als Barbara zu Ihnen kam   … als sie die Nerven verloren und Sie beschuldigt hat   … haben Sie   …» Sie hörte Judiths Atem schneller werden, aber sie sah sie nicht an. Sie würde das jetzt rauskriegen, und wenn sie dafür zusammengeschlagen werden würde. «Haben Sie Barbara da zu Judith geschickt?»
    Weal antwortete nicht. Er sah kurz zu Judith und dann hinunter zu Merrily. Die Frage hatte ihn aus der Fassung gebracht. Erneut richtete er

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