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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ihren J.   W. ohne Kopf? Wollen Sie das in Ihrer Kirche erzählen, Mrs.   Watkins?»
    «Werden Sie das auch Vater Ellis sagen?»
    Der Lauf wanderte hinab zu Merrilys Brust. So würde die Wucht des Schusses sie in der Mitte zerreißen, es konnte jeden Moment so weit sein. Wenn sie sich zu schnell bewegte, würde Judith abdrücken. Sie würde nichts spüren. Sie würde nicht mal den Schuss hören. Ihr letzter Augenblick würde genau so sein wie dieser.
    «Wir hätten Freundinnen sein können, Sie und ich, Merrily Watkins.»
    «Da bin ich nicht so sicher», sagte Merrily.
    «Ich bin keine Lesbe. Nennen Sie mich eine Lesbe?»
    Merrily dachte an Jane, froh, dass Gomer bei ihr war. Würde das Kind sich später erinnern, in der Ferne eine Explosion gehört zu haben, ein Echo, das sie ihr Leben lang begleiten würde? Bete, dass diese Wände zu dick dafür sind. Bete:
Bitte, Gott, oh Gott. Bitte, Jesus, bewahre mich vor den Mächten des Bösen. Wenn ich untergehe, erleuchte mich mit Deinem Licht und Deiner Liebe
.
    Würde sie in Janes Mantel sterben? Sie sah nicht ihr eigenes Leben an sich vorüberziehen, sondern Janes. Jane im Alter von drei Jahren am Strand in Pembrokeshire, wie sie einem Ball hinterherläuft, über ihn stolpert und anfängt zu weinen, weil sie denkt, das wäre angebracht, und gleich darauf in wildes Gelächter ausbricht und sich herumrollt wie ein Kätzchen.
    Merrily holte sich beinahe gewaltsam in die Gegenwart zurück.
    «Offen gesagt, Judith, Ihre sexuelle Orientierung ist mir völlig egal. Das ist unbedeutend.»
    «Nicht für mich, Mrs.   Watkins. Nicht für meinen Ruf.»
    «Entscheidend ist doch, dass Sie ein Monster sind. Ein Monster, das die Schwachen und Verletzlichen frisst. Was bei allen anderen Mitleid hervorruft, erregt Sie. Tränen machen Sie an. Sie waren wahrscheinlich alles für Menna – alles, was sie jemals hatte. Aber sie hatIhnen überhaupt nichts bedeutet, sie war nicht mehr für Sie als ein schlanker, weißer, zitternder Körper, mit dem Sie spielen konnten.»
    Sie stellte sich aufrecht hin, sah Judith an und zuckte die Achseln.
    «Sie können Ihre Augen schließen, wenn Sie wollen», sagte Judith kalt, aber sie drückte den zweiten Abzug, bevor Merrily Zeit hatte, sich zu entscheiden.
     
    Betty und die stattliche Alexandra wandelten durch die Ruinen wie die Geister von Mutter und Tochter. Sie räumten herum, während Robin zusah und die Lampe hielt.
    Die dicken Kerzen blieben größtenteils, wo sie waren: auf Fenstersimsen und Absätzen und in Glaslaternen oben auf dem Turm.
    Der Altar wurde verstellt. Es war eine alte Werkbank aus der Scheune, mit einem Schraubstock an der Seite. Robin half Alexandra, sie von der Nordwand in die Mitte des Kirchenschiffs zu tragen, sodass sie dem Turm gegenüberstand, aber auf die Stelle ausgerichtet war, an der sich Bettys Vermutung nach einmal der Altarraum befunden hatte. Nach Osten, wie ein christlicher Altar, falls diese Merrily Watkins auftauchte.
    Der Mond stand nahezu weiß über dem Turm. Robin glaubte, oben auf dem Gemäuer eine Bewegung zu sehen. Vielleicht eine Eule.
    Betty nahm einige Kristalle aus einem Beutel. Ihren Blick hielt sie gesenkt.
    Als alles fertig war, wurde der Konvent hereingerufen, und Alexandra sagte zu Betty: «Findet es statt?»
    Robin sah Betty an und erkannte, dass sie endlich akzeptiert hatte, dass die Pfarrerin nicht mehr kommen würde.
    Betty nickte.
    Kerzen und Streichhölzer wurden ausgeteilt. Sie bewegten sich wie Schatten, beugten sich nieder, richteten sich auf, jedes Aufrichten von einem neuen Leuchten begleitet.
    Max’ Frau Bella kümmerte sich um den Turm. «Es war unheimlich», sagte sie, als sie wieder herunterkam. «Ich hatte das Gefühl, beobachtet zu werden.»
    Als sie fertig waren, brannten siebzig oder achtzig Kerzen. Aufgereiht in den leeren Fensterhöhlen. An den Wänden des dachlosen Kirchenschiffes. Auf den Zinnen des Turms, in Glaslaternen.
    Die Kirche St.   Michael in Old Hindwell wirkte ätherisch, unirdisch, und das zitternde Licht spiegelte sich im Hindwell-Fluss.

57
Unter Schock
    Er hatte nie eine Pistole besessen, nie eine gewollt, aber wie laut sich ein Schuss in der Nacht anhörte, wie weit der Schall trug, das wusste Gomer. Er hatte eine ungefähre Ahnung, wo dieser Schuss herkam, und das waren keine Wilderer, nicht heute Abend, wo alles voller Polizei war.
    «Die Kirche?», sagte die kleine Jane ängstlich.
    «Wahrscheinlich weiter weg.»
    Er wollte ihr noch nicht sagen, dass

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