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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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kamen sie alle, sie mussten über das Gatter geklettert oder über die Brücke gekommen sein und bildeten einen Kreis um die Ruine. Aber es war eine kleine Kirche gewesen, und sie und Jane blockierten den Eingang. Hinter ihrem Rücken begannen die Leute zu drängeln.
    «Sorgt dafür, dass sie da weggehen!» Eine Frauenstimme, die Merrily von irgendwoher kannte   …
Ich kann euch eine Kirche zeigen, mit einem Turm und Gräbern und allem
… «Das ist ein Sakrileg!»
    Merrily legte einen Arm um Jane und rührte sich nicht von der Stelle.
    Ellis’ Stimme dröhnte in der stillen, kalten Luft vom Turm wie ein Nebelhorn.
«Im Namen Jesu Christi, unseres Herrn, und von Michael, dem Erzengel, weisen wir die Täuschungen des Satans zurück!»
    Merrily war wütend. Dazu hatte er kein Recht. Er hatte kein
Recht
, den Namen Jesu wie eine Axt zu benutzen oder das Kreuz Jesu wie einen Dildo   …
    Robin Thorogood schien sich nicht mehr bewegen zu können. Er stand im Kirchenschiff und starrte zum Turm hinauf, als wäre sein Blut eingefroren. Gefangen in den Scheinwerferstrahlen der Fernsehteams, wirkte er wie ein Flüchtender, der von einem Suchscheinwerfer entdeckt worden war. Merrily sah Betty nicht mehr.
    Im trüben Laternenschimmer schrie Ellis vom Turm:
«Gott erhebe sich! Seine Feinde sind verborgen, und die Ihn hassen, sollen vor Ihm stürzen. So wie der Rauch des Höllenfeuers wegtreibt, so werden auch sie weggetrieben. Wie Wachs im Feuer schmilzt, so sollen die Bösen in der Gegenwart Gottes umkommen. Sehet   –»
    Er hielt inne. Betty zeigte sich erneut im Kirchenschiff. Sie trug ihr Kleid wieder. Sie wirkte verängstigt, aber sie sah nicht zu Ellis hoch, nicht ein einziges Mal.
    Sie trug immer noch die Lichterkrone.
    Und Merrily hörte den Vers aus der Offenbarung, schon einen dunklen Moment lang, bevor er ihn hinausposaunte.
    «Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel   … eine Frau, mit der Sonne bekleidet, mit dem Mond unter ihren Füßen   … und auf ihrem Haupt eine Krone mit zwölf Sternen   …!»
    Robin Thorogood schrie: «Nein   … das ist nicht   …» Er hob protestierend die Arme.
    «Schlange!»
    Merrily sah das, was Ellis auch sah, wie sie wusste. Er sah dasBild in seiner Kommandozentrale, das Bild von William Blake, und es machte aus Robins Armen große, schwimmhäutige, ledrige Flügel von der Farbe eines frisch ausgegrabenen Regenwurms und aus seinen wilden Haaren die gedrehten Hörner eines Schafbocks. Sie sah die Frau, bekleidet mit der Sonne, Sterne um ihren Kopf – ein funkelnder Köder für den Großen Roten Drachen.
    Und Merrily gab dem Drängen und Schubsen in ihrem Rücken nach.
     
    Robin sah die kleine, dunkelhaarige Frau ins Kirchenschiff hasten.
    «Nein   …»
, schrie sie.
«Bitte, Gott, nein.»
    Und als er von oben dieses grässliche, knirschende, berstende, krachende Geräusch hörte, bemerkte er, dass er auch schrie, während er sich auf Betty warf, seine Arme um sie schlang, sie unter sich begrub und die Augen schloss, als der erste Stein vom Himmel fiel.
    Er fühlte es nicht. Er konnte überhaupt nichts fühlen. Aber er konnte die anderen schreien hören, und über ihnen allen hörte er Ellis brüllen:
    «Und es herrschte Krieg im Himmel!»
    Robin lag quer über seiner Göttin auf dem Schlafsack, bewegungslos, als der schwarze Himmel einstürzte.
    Er öffnete seine Augen nur ein Mal, und da sah er die Lichterkrone wegrollen wie ein billiges Feuerrad an Silvester und die Geburtstagskerzen eine nach der anderen ausgehen.
    Da waren noch viele andere Lichter, aber er verschloss seine Augen vor ihnen; viele andere Geräusche, aber er hörte nicht hin. Er hörte nur das Herz seiner Göttin und seine eigene Stimme, die die Worte wisperte, die ihn mehr als alles andere bewegten:
    «In der Fülle der Zeit werden wir wiedergeboren werden, zur selben Zeit und am selben Ort wie der andere, und wir werden uns treffen und erkennen   … und von neuem lieben   …»

59
Mutwillige Sachbeschädigung
    Er war ein großer, gebeugter Mann mit einem traurigen Mondgesicht und einem vollen grauen Schnurrbart. Er war der kürzlich ernannte Leiter der walisischen Polizei, ein reiner Verwaltungsjob, wie er sagte, bis zur Rente. Sein Name war Gwyn Arthur Jones. Gomer Parry kannte ihn von früher, was die Sache ein bisschen abkürzte.
    Aber es war trotzdem fast drei Uhr nachts, als sie die Einsatzzentrale   – Dr.   Colls Wartezimmer – verließen und in das vergleichsweise intime

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