Die fünfte Kirche
Arbeit. Und was jetzt?»
«Jetzt kriech ich vor ihm zu Kreuze. Oder ich nehm die erste Rate, und das Buchcover wird von jemand anderem gestaltet.»
«Gibt es denn keine Möglichkeit –»
«Betty … o. k., ich hab einen ganz guten Ruf als Illustrator. Jeder normale, durchschnittliche Fantasy-Autor wäre mit meiner Arbeit zufrieden. Aber Blackmore hat einen Anderthalb-Millionen-Vertrag über drei Bücher. Das ist ein Gott, da gelten andere Regeln.»
«Das ändert auch nichts dran, dass er debile Scheiße schreibt. Sag ihm, er kann dich mal. Es ist nur ein Buch.»
Er setzte sich gerade hin. «Das ist nicht debil. Der Mann weiß, was er macht. Und es geht nicht nur um
ein
Buch. Alle seine Bücher sollen neue Umschläge bekommen.
Sieben
Bücher – das ist eine Menge Arbeit. Ich
brauche
Blackmore, ich
muss
meine Bilder unter seinem prominenten Namen sehen. Außerdem brauchen wir das Geld, wenn wir das Ganze hier in einen besseren Zustand bringen wollen. Wir haben doch mit diesem Geld gerechnet, oder nicht?»
«Ja, haben wir wohl.»
«Na also. Ende der Geschichte. Zurück an die Spritzpistole.»
Sie küsste ihn auf den Kopf. «Du bist ganz blass.»
«Ja … darauf war ich nicht gefasst. Das war wie ein Kinnhaken. Tut mir nur gut – ich bin zu selbstbewusst geworden. Du kannst mich ja mit den Neuigkeiten aufheitern, die du aus der Großstadt mitbringst.»
Sie waren dazu übergegangen, New Radnor als Großstadt zu bezeichnen, da es über drei Läden verfügte.
«Also …» Betty setzte sich neben ihn. «Mrs. Wilshire hat sich ziemlich aufgeregt, weil sie mir versprochen hatte, ihre Haushaltshilfedarum zu bitten, die Papiere des Majors aufzustöbern, die … mit diesem Ort hier zu tun haben. Er hatte sie in dem Sommerhäuschen im Garten. Und dann ist die Haushaltshilfe nicht gekommen. Jedenfalls hat Mrs. Wilshire mir dann den Schlüssel gegeben. Deshalb bin ich so spät dran, ich war über eine Stunde in dem Gartenhaus. Der Major hatte sich da ziemlich gut eingerichtet: Licht, Elektroheizung, Teekessel und ein Stahlschrank für Akten.»
«Und dort hat sie dich allein reingelassen? Eine nahezu Fremde?»
«Sie braucht jemanden, dem sie vertrauen kann.»
«Ja.» Die Leute vertrauten Betty immer sofort.
«Sie wollte auch, dass sich jemand um diese Papiere kümmert, konnte sich aber nicht vorstellen, es selbst zu machen. Wegen der Verantwortung, die sie dann hätte, darin war sie wohl nie besonders gut. Außerdem ist ihr Mann in dem Gartenhaus natürlich noch sehr gegenwärtig, man kann ihn spüren, einen klaren, präzisen Geist, und Frustration, weil er ihn nicht so einsetzen konnte, wie er wollte. Als er das Haus gekauft hat, war er entschlossen, alles darüber in Erfahrung zu bringen und den bestmöglichen Deal zu machen.»
«Im Gegensatz zu mir, hm?»
Betty lächelte. «Du bist eine extreme Abart des Spontankäufers, du verheimlichst manche Dinge ja sogar vor dir selbst. Ihr wärt sicher nicht miteinander klargekommen, du und der Major.»
«Und was hast du gefunden?»
«Mrs. Wilshire hat gesagt, ich kann alles mitnehmen, was mir nützlich sein könnte. Ich hab einen Karton voller Zeug im Auto.»
«Du hast es nicht mit ins Haus gebracht?»
«Morgen.» Betty legte ihren Kopf in den Nacken. «Ich hab für heute genug gelesen. Kein Wunder, dass er es in der Hütte gelassen hat.»
«Wieso?»
«In einer Hinsicht war der Major doch wie du – er musste das Haus und die Kirche haben, nachdem er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Aber der Preis musste auch stimmen. Und er war natürlich nicht im Entferntesten abergläubisch. Als alter Soldat hatte er vor nichts Angst, was ihn nicht erschießen konnte. Aber ich nehme an, wenn er Informationen gehabt hätte, die
andere
potenzielle Käufer hätten abschrecken können …» Betty rollte den Kopf herum, um die Muskeln zu lockern. «Es ist komisch, aber als ich das erste Mal durch die Ruine gegangen bin, hab ich gedacht, dass das bestimmt kein glücklicher Ort ist.»
«Aber hätte der Makler uns das nicht sagen müssen? Sollen wir den Makler verklagen?»
«Sehr amerikanisch gedacht. Nein, das hätte keinen Sinn. Ist alles zu lange her. Außerdem hat er uns ja von Major Wilshires Tod erzählt, und das war seiner Meinung nach sicher das größte Problem.»
«Und was ist deiner Meinung nach das größte Problem? Geht in der Ruine ein Geist um?»
«Wir haben vorschnelle Schlüsse gezogen. Wir haben angenommen, die Kirche wäre wegen
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