Die fünfte Kirche
suchte mit den Augen nach dem Ausgang. Noch war es nicht zu spät.
«Wir wollen, dass hier offen geredet wird», sagte Steve, «vor allem wollen wir schnelle Antworten, die es in sich haben. Wenn’s länger als dreißig Sekunden dauert, heben Sie es sich besser für Ihre Doktorarbeit auf. John Fallon ist bei uns der Zirkusdirektor, ihn sehen Sie erst, wenn Sie reingehen, aber Sie kennen ihn ja alle, er ist Vollprofi, und seine Toleranz, was Schwachsinn betrifft, liegt genau bei null. Noch irgendwelche Fragen?»
Es wurde ein bisschen gemurmelt, aber niemand erhob die Stimme.
«Warum sehen wir Fallon erst in der Sendung?», wisperte Merrily.
Tania Beauman bewegte kaum die Lippen. «Sie wissen darüber sicher viel besser Bescheid als ich, aber ich glaube nicht, dass man die Christen dem Löwen normalerweise vorstellt.»
Der Raum, den sie ‹die Galerie› nannten, war niedrig und mit mehreren Fernsehbildschirmen ausgestattet, auf denen der Regisseur und die Ton- und Bildingenieure das Studio aus verschiedenen Perspektiven sehen konnten. Wenn sie auf Sendung gingen, würde der Regisseur über einen Knopf im Ohr mit dem Produzenten und dem Moderator unten im Bärengraben in Kontakt stehen. So nannten sie es. Jane war zuerst etwas enttäuscht gewesen. Es war viel kleiner, als sie gedacht hatte, wie ein kleines Theaterrund mit gerade mal sechs Bankreihen für das Publikum.
«Hat das ganze Publikum was mit dem Thema zu tun?», fragte sie einen weißhaarigen Typen namens Gerry, der zu Tania Beaumans Team gehörte.
«Nee», sagte er. «Unser Budget ist inzwischen zwar ganz anständig, aber so groß ist es auch wieder nicht. Das sind ganz normale Leute, die mit Bussen hier angekarrt werden. Die von heutearbeiten alle in einer Farbenfabrik in Walsall: Packer, Reinigungskräfte, Management – einmal quer durch die Gesellschaft.»
Gerry sah Eirion an, der schrecklich jung und unschuldig wirkte – und alles andere als glücklich. Er konnte Herumtricksereien nicht leiden. Er war entsetzt gewesen, als er mitbekommen hatte, dass Janes Mom keine Ahnung hatte, dass sie hier waren. Oder im Umkreis von achtzig Kilometern von
Livenight
.
Sie waren mit Eirions Auto gekommen, was trotz des geflickten Auspuffs nicht besonders lange gedauert hatte. Der Lagerhaus-Komplex, in dem sich das Studio befand, war leicht zu finden gewesen, er lag nur gut einen Kilometer von der M 5 und ungefähr fünfzehn Kilometer von Birmingham entfernt.
Jane hatte Eirion die leicht verbotene Natur ihres Vorhabens erst offenbart, als sie die Autobahn schon verlassen hatten. «Irene, ich tue das für
dich
. Das könnte deine Zukunft sein. Das ist Fernsehen auf dem allerneuesten Stand, o. k.? Vielleicht kriegst du sogar einen Ferienjob.»
Eirion hatte entsetzt ausgesehen, wie ein Taxifahrer, der gerade herausgefunden hatte, dass er einen Entführer durch die Gegend fährt. Er hatte gedacht, sie führen nur getrennt, weil Janes Mom möglicherweise die Nacht über bleiben musste. Er wusste nicht, wie Jane Tania Beauman überredet hatte, und würde es wohl auch nie herausfinden. Genauso wenig wie ihre Mom. Geplant war, dass sie zwei Minuten, bevor die Sendung zu Ende war, verschwinden und auf der Autobahn zurückrasen würden, sodass Jane oben in ihrem Apartment schon das Licht ausgemacht hätte, wenn Mom nach Hause käme.
Es hatte sich herausgestellt, dass Tania Beauman ganz in Ordnung war. Sie hatte Gerry und dem grauhaarigen Regisseur, Maurice, erzählt, Jane wäre ihre Cousine, die am College einen Medienkurs belegt hätte. Was ja auch sein könnte, irgendwann.
«Wie alt ist sie?», hatte Maurice misstrauisch gefragt.
«Neunzehn, nächsten Monat», hatte Jane eisig geantwortet.
«Brauchst mich nicht gleich zu steinigen. Wenn die Neunzehnjährigen anfangen wie Vierzehnjährige auszusehen, weißt du, dass du zu alt für diesen Job bist … Sieh mal, das Problem mit dieser Sendung ist, dass wir nicht der Bibelkanal sind. Was wir nicht wollen, ist eine religiöse Debatte. Wir wollen nicht die Geschichte der druidischen Religion hören, wir wollen wissen, was die in ihren Hexenzirkeln treiben, wenn die Filmcrew nach Hause gegangen ist. Wir wollen nichts über die Leute wissen, die die Hexen geheilt haben, sondern über die, die sie verflucht haben. Das ist eine Late-Night-Show. Unser Job ist es – um es mal ganz deutlich zu sagen –, die Leute mit einem Steifen ins Bett zu schicken.»
«Ich bin ja mal gespannt, wie die kleine Priesterin
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