Die fünfte Kirche
einer Überschwemmung aufgegeben worden oder weil die Autos hier nicht hinkommen. Jedenfalls hast du das vermutet.»
«Das habe ich vermutet, ja. Ich stelle Vermutungen an, das mach ich die ganze Zeit. O. k.» Robin stand auf. «Ich halt’s nicht aus. Gib mir die Autoschlüssel. Ich hol deinen Geschenkkarton rein.»
Als er zurückkam, kochte sie Kakao. Er schlug die Tür zu und verschloss sie.
«Mann, ist das neblig. War das schon so, als du zurückgefahren bist?»
«Streckenweise.»
Gut, dass er eingeschlafen war, er wäre krank vor Sorge um sie gewesen. Er stellte den Weinkarton auf den Tisch. Es schienen vor allem Kopien drin zu sein, die oberste offenbar eine offizielle Liste historischer Gebäude.
KIRCHE VON ST. MICHAEL, OLD HINDWELL
Ruine einer ehemaligen Pfarrkirche. Überwiegend 13. und 14. Jh., Südportal und Altarraum später. Dreistufiger Turm mit Zinnenkrone spätes 14. Jh., Steinkonstruktion mit diagonalen Stützpfeilern nach Nordwesten und Südwesten …
Und so weiter. Es gab mehrere ähnliche Blätter, die Robin zur Seite legte, um sie sich später genauer anzusehen.
«Sieht tatsächlich so aus, als hätte der Major eine ziemlich umfassende Akte angelegt.»
Er zog ein Blatt heraus, auf dem die Einzelheiten des Verkaufs standen. Es stammte von demselben Makler, den auch er und Betty gehabt hatten. Und mehr oder weniger der gleiche Wortlaut.
«Ein charaktervolles, historisches Bauernhaus mit Außengebäuden und der malerischen Ruine einer Pfarrkiche, in äußerst ungewöhnlicher Lage …»
Das stimmte ja so weit alles. Als Nächstes zog Robin mehrere handbeschriebene Seiten hervor, die aus einem Spiralblock herausgerissen worden waren und mit einer Klammer zusammengehalten wurden. Darauf standen mehrere Telefonnummern.
«Was ist das?»
«Weiß ich nicht, hab ich noch nicht rausgefunden. Da ist aber auch ziemlich viel Müll dabei. Ich glaube, Mrs. Wilshire wollte so viel wie möglich davon loswerden. So, pass auf, mit dem, was du da jetzt hast, fängt es an, interessant zu werden.»
Er hatte ein DIN-A 4-Blatt in der Hand, auf das ein kleiner, vergilbterZeitungsartikel geklebt worden war: «Pfarrer tritt wegen schlechter Gesundheit zurück.» Es stand kaum mehr darin, als dass der Pfarrer Terence Penney Old Hindwell verlassen hatte und dass ein Ersatz für ihn gesucht wurde.
Das Datum, das auf das Blatt gekritzelt worden war, konnte Robin nicht entziffern.
«Das war 1967.»
«So spät? Soll das heißen, die Kirche wurde noch bis 1967 genutzt?»
«Sogar bis 1968.»
«Und warum dachte ich dann immer, dass sie schon in den dreißiger oder vierziger Jahren aufgegeben wurde?»
«Weil du dich an die Idee geklammert hast, es hätte mit dem aufkommenden Individualverkehr und dem Fluss zu tun. Lies mal den Brief darunter. Der ist von der Frau, die auch den Artikel geschrieben hat.»
Er war mit einer alten Schreibmaschine geschrieben, das Farbband war schwach.
Lower Lodge
Monkshall
Leominster
Herefordshire
18. Mai
Lieber Major Wilshire,
vielen Dank für Ihren Brief. Ja, Sie haben recht, ich hatte tatsächlich die zweifelhafte Ehre, in den Sechzigern für ein paar Jahre Korrespondentin des
Brecon and Radnor Express
zu sein, zuständig für Radnor Valley, und ich habe, wenn ich mich richtig erinnere, ungefähr einen halben Penny pro Zeile dafür bekommen, dass ich
etwas über lokale Ereignisse geschrieben habe, die mir erwähnenswert erschienen.
Meine Berichte über den Weggang von Pfarrer Penney gehören nicht zu denen, auf die ich besonders stolz bin, sind sie doch das, was man heute wohl «Vertuschung» nennen würde. Aber mein ehemaliger Mann und ich waren vergleichsweise neu in der Gegend. Ich bin sozusagen auf rohen Eiern gelaufen und war entschlossen, niemandem zu nahe zu treten!
Aber ich nehme an, dass es nach so langer Zeit keinen Grund mehr gibt, irgendetwas zu verschleiern, zumal damals ja viel darüber geredet wurde.
Ja, Pfarrer Penney war in der Tat ein etwas seltsamer junger Mann, womit ich nicht die Gerüchte meine, denen zufolge er Drogen genommen haben soll. Er war damals mit ein paar Hippie-Typen aus der Gegend befreundet – ich nehme an, daher stammten diese Gerüchte.
Rückblickend glaube ich, dass Mr. Penney nicht die geeignete Person war, um für St. Michael Verantwortung zu übernehmen. Er war jung und enthusiastisch, hatte den Kopf voller Ideen, aber die Einheimischen wollten, dass alles weiter in den gewohnten
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