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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Halluzination sein muss. Aber du
weißt
, dass du nicht halluzinierst. Also muss es – klick, klick – eine übernatürliche Erfahrung sein, so wie all die übernatürlichen Erfahrungen, von denen dir andere Leute erzählt haben, und du hast dazu weise genickt und deine wohlüberlegte Meinung kundgetan.»
    «Aber das würden nur Sie denken. Nur jemand, der   –»
    «Nur jemand, der einen so seltsamen, exzentrischen Job hat wie ich.»
    «Aber Sie haben sie nicht angefahren», sagte Sophie heftig. «Oder? Sie haben Jane nicht angefahren.»
    «Nein. Es hat keinen Aufprall gegeben. Ich habe niemanden angefahren. Aber es war trotzdem ein Albtraum – ich meine, es war wie ein Traum. Ich habe meine Tochter nicht physisch umgefahren,also muss es eine Vorahnung sein: eine Vision davon,
sein eigenes Kind zu töten

    «Aber das war es nicht.»
    «Ich konnte Sean in ihrem Gesicht sehen   … dieser kleine Höcker auf der Nase, der Schwung der Lippen. Ich habe Sean so deutlich in ihr gesehen, wie ich ihn noch nie in ihr gesehen habe.»
    «Da haben sich einfach mehrere Vorstellungen überlagert», sagte Sophie, «oder so etwas.»
    «Ich habe das Lenkrad mit aller Kraft herumgerissen. Habe das Auto zum Stehen gebracht und bin ausgestiegen, außer mir vor Angst. Nur um zu erkennen   …», Sophie griff über den Tisch und drückte Merrilys kalte rechte Hand, «…   dass es wirklich Jane war. Die richtige Jane. Die fast gestorben wäre, als ein Lastwagen in Eirions Auto gerast ist. Ihr Gesicht war nicht blass und ausdruckslos, weil sie tot war, sondern weil sie eine Gehirnerschütterung hatte.
Das
ist zum Verrücktwerden, es ist pervers: Es gibt eine absolut kalte, diesseitige, vernünftige Erklärung   … für alles. Für jeden einzelnen Aspekt. Warum finde ich gerade das so beängstigend? Der schrecklichste Moment meines Lebens, und am Ende gibt es eine simple, rationale Erklärung.»
    «Sie befürchten, dass Sie aufgehört haben, nach einfachen, vernünftigen Erklärungen zu suchen? Ist es das?»
    «Vielleicht.»
    «Wie viele Menschen sind bei diesem Unfall gestorben?», fragte Sophie.
    «Drei. Einer schwebt noch in Lebensgefahr. Vier sind, glaube ich, leicht verletzt, mit Jane. Es waren sechs PKWs beteiligt und ein paar Lastwagen. Ich glaube, die Feuerwehr und die Krankenwagen waren schon da, als ich ausgestiegen bin. Eine Frau   …»
    Merrily schüttelte den Kopf und versuchte, das unfassbar schreckliche Bild des abgerissenen Arms auf dem Mittelstreifen wegzublinzeln.
    «Sie haben Glück gehabt, alle beide. Und der Junge?»
    «Eirion. Sein Auto kann er abschreiben.»
    «Er ist nicht verletzt, das ist das Einzige, was zählt.»
    «Er hat ein Schleudertrauma. Sie haben ihn auch dabehalten, aber ich glaube, sein Vater hat ihn heute Morgen abgeholt. Oder der Chauffeur seines Vaters. Ich habe mit seiner Stiefmutter telefoniert. Eirion scheint sich die Schuld an dem zu geben, was passiert ist.»
    «Also, insgesamt   …»
    «Ich muss immer wieder daran denken, was passiert wäre, wenn ich eine Sekunde früher gekommen wäre. Ich stelle mir vor, ich hätte sie umgebracht. Wie in einer dieser schrecklichen Familientragödien, die einmal in einer Milliarde Fälle vorkommen. Wie hätte ich weiterleben können? Was wäre das alles noch wert gewesen?»
    «Aber Sie sind nicht früher gekommen. Jemand wollte Sie nicht verlieren – und wollte auch nicht, dass Sie für immer Schaden nehmen.»
    Merrily lehnte sich zurück und schüttelte eine Zigarette aus der Packung. «Haben Sie je darüber nachgedacht, Pfarrerin zu werden, Sophie?»
    «Um Gottes willen.» Sophie stand auf. «Legen Sie dieses Ding weg und ziehen Sie Ihren Mantel an.»
    «Das ist Janes Mantel. Warum?»
    «Dann eben Janes Mantel. Ich fahre Sie zu dieser Beerdigung. Vielleicht können Sie ja auf dem Weg schlafen. Wenn wir jetzt losfahren, können wir unterwegs vielleicht sogar noch ein Sandwich essen.»
    «Sophie, es ist Samstag. Sie können nicht   … Sie haben doch zu tun.»
    «Oh», sagte Sophie. «Ich glaube, Hereford United kann auch mal einen Spieltag ohne mich auskommen.»
    Merrily blinzelte. Sophie nahm einen langen Schaffellmantel und einen wollenen Schal vom Haken an der Tür. Es sah tatsächlich nach der Art Bekleidung aus, mit der man im Januar zu einem Fußballspiel geht. Skurril?
    Merrily erhob sich leicht taumelnd.
    «Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie in meinem Auto nicht rauchen», sagte Sophie.

19
Abrakadabra
    Die Hauptstraße von Old

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