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Die fünfte Kirche

Die fünfte Kirche

Titel: Die fünfte Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Apparate? Er hat das natürlich abgetan, aber ich finde, wenn man von seinen Mitmenschen so freundlich behandelt wird, ist man verpflichtet, etwas zurückzugeben.»
    «Hmhm   …»
    «Er hat mir schließlich eine Wohltätigkeitsorganisation genannt, die er unterstützt, aber das war das Äußerste   … Ach je, ich habe Sie in Verlegenheit gebracht, das tut mir leid. Wechseln wir das Thema. Haben Sie eine Lösung gefunden wegen der Feuchtigkeit im Haus?»
    «So was braucht seine Zeit», sagte Betty, vorsichtig darauf bedacht, nicht zu erwähnen, dass sie dafür Geld benötigten.
     
    Als sie wieder im Auto saß, fühlte sie sich unbehaglich. Vielleicht war es besser, wenn sie eine Zeit lang nicht zu Mrs.   Wilshire fuhr. Wahrscheinlich war der alten Dame gar nicht bewusst, dass siesich Aufmerksamkeit erkaufte, und sei es nur mit Komplimenten über eine ganz gewöhnliche Kräuterzubereitung, aber   … warum musste plötzlich
alles
so verdammt kompliziert sein?
    Sie lehnte sich zurück und bewegte den Kopf, um die Nackenmuskulatur zu entspannen. Dabei fiel ihr Blick auf das Drachen-Faltblatt auf dem Beifahrersitz. Wo war die nächste Kirche auf der Liste?
    Cascob.
    Schmiegt sich nahe der Anhöhe von Cas Valley an den Hang, taucht im Grundbuch als Cacsope auf – der Hügel mit Blick über den Fluss Cas.
    Vielversprechend, dachte sie. Und wollte das Faltblatt gerade zurück auf den Sitz legen, als ihr noch ein Wort ins Auge fiel. Es war «exorzieren».
     
    Nachdem Betty schon eine Weile durch den Radnor Forest gefahren war, bemerkte sie, dass die Wolken sich unheilverkündend verdichtet hatten   … und unter dem dunklen Himmel sah sie einen Wegweiser.
    Sie musste schon zwanzig Mal an diesem Schild vorbeigekommen sein, ohne es zu bemerken, vielleicht, weil es in diese kleine, enge Straße wies, die nirgendwo anders hinführte als nach: Cascob.
    Merkwürdiger Name. Vielleicht irgendeine verballhornte Anglisierung einer walisischen Wendung, die bedeutete: «Obskure-Kirche-am-Ende-eines-endlos-gewundenen-Sträßchens». So konnte es einem jedenfalls vorkommen, denn es war die Art Straße, auf der ein Ortsfremder kaum schneller als Schrittgeschwindigkeit fuhr. Düster und verlassen. Robin wäre begeistert.
    Viel gab es in Cascob nicht zu sehen. Nach einer Kurve hatte Betty ein einsames Bauernhaus vor sich und schräg gegenüber, ein steiles Stück die Straße hinauf, das Holztor, das zur Kirche führte und das mit orangefarbener Paketschnur zugebunden war. Bettystellte den Subaru am Hang ab, legte den Gang ein, stieg aus und löste die Schnur vom Tor.
    Auf dem kreisförmigen, abfallenden Friedhof grasten Schafe zwischen alten, in wahlloser Ordnung aufgestellten Grabsteinen, die an den Rändern bröckelten wie zerbrochene Kekse. Man hatte einen weiten Blick über einen besonders einsamen Teil des Forsts, und die Atmosphäre war so intensiv, schien so bleischwer auf ihr zu lasten, dass Betty einen Moment lang nicht weitergehen konnte.
    An manchen Orten kam es sofort.
    Der alte Mann in Grandmas Keller in Sheffield   … das war wahrscheinlich der Erste gewesen. Lange Zeit hatte sie sich nicht vor ihnen gefürchtet, aber dann hatten ihr andere Kinder gesagt, dass man vor Geistern Angst haben
sollte
. Bis dahin hatte sie nur bestimmte Gefühle gespürt, die zu einem Ort gehörten, weil dort etwas Entsprechendes geschehen war: Angst, Hass, Gier und – dieses Gefühl hatte sie zunächst nicht verstanden – Lust.
    Sie versuchte, ruhig zu atmen. Die Kirche von Cascob kauerte unter niedrig hängenden, grauen Wolken. Der Anblick war gleichzeitig anheimelnd und gruselig. Aber in welchem Maß waren ihre Eindrücke von dem beeinflusst, was sie in dem Faltblatt gelesen hatte?
    «…   eine junge Frau exorzieren   …»
    Sie ging weiter, auf die Kirche zu.
    Das Fachwerkgebäude wirkte, als wäre es aus dem Boden gewachsen. Es drückte sich an einen Erdhügel, der offensichtlich nicht natürlich war, vielleicht ein Grabhügel aus der Bronzezeit. Am Fuß des Hügels wuchs ein Apfelbaum, dessen spinnenbeinartige Winteräste sich wirr von dem kalten Licht abhoben. Vor dem Portal war ein weiteres Tor mit noch mehr Paketschnur, die Betty aufknotete.
    Sie ging hindurch. An den Wänden der Vorhalle hingen neuePoster, und eine gerahmte Karte lud alle ein, ein Gebet zu sprechen, bevor sie wieder gingen. Sie würde nicht so taktlos sein, zur Göttin zu beten. Als sie die Hand nach der Eichentür ausstreckte, schien ihr die Atmosphäre der

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