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Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
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materielle und greifbare Losungsworte. Heinrich stellt sich, als wäre er wahnsinnig verliebt, und während man ihn mit Liebesgeschichten beschäftigt glaubt, bringt er seine Nächte damit hin, daß er mit Mornay arbeitet, der nie schläft und die Liebe nicht kennt. Dies hatte ich zu sehen, dies habe ich gesehen. Die Königin Margarethe hat Liebhaber, der König weiß es; er kennt sie und duldet sie, weil er dieser Liebhaber oder seiner Frau oder vielleicht aller zugleich bedarf. Da er kein Kriegsmann ist, so muß er sich wohl Kapitäne unterhalten, und da er nicht viel Geld hat, so muß er sie die Münze wählen lassen, die ihnen am besten zusteht.«
    »Ich allein habe den schlauen Bearner durchschaut.«
    Chicot rieb sich die Hände und fuhr dann fort: »Nun, da ich ihn durchschaut, habe ich nichts mehr hier zu tun. Während er arbeitet oder schläft, werde ich sogleich ruhigund sacht die Stadt verlassen. Es gibt, glaube ich, wenige Botschafter, die sich, wie ich rühmen können, an einem einzigen Tage ihre ganze Sendung vollbracht zu haben.
    »Ich werde also Nerac verlassen, und sobald ich außerhalb Nerac bin, bis Frankreich galoppieren.«
    Er sprach es und fing an, seine Sporen wieder anzuschnallen, die er in dem Augenblick, wo er vor dem König erschien, abgelegt hatte.

Wie Chicot sich darüber wunderte, daß er in der Stadt Nerac so bekannt war.
    Als Chicot seinen Entschluß, inkognito den Hof von Navarra zu verlassen, gefaßt hatte, machte er sich sofort auf.
    Er überlegte sich, daß er in zwei Tagen Cahors erreichen könnte. Dann könnte er sich mehr Zeit nehmen und doch seinem König noch zu rechter Zeit von dem gefährlichen Stand der Dinge Mitteilung machen.
    Darauf löschte Chicot sein Licht aus, öffnete sacht die Tür und ging tappend hinaus.
    Doch kaum hatte er vier Schritte im Vorzimmer gemacht, als er auf etwas stieß, was sich sogleich aufrichtete. Es war ein Page, der auf der Matte vor dem Zimmer lag; sobald er erwacht war, sagte er: »Ei! guten Abend, Herr Chicot, guten Abend!«
    Chicot erkannte d'Aubiac und erwiderte: »Ei! guten Abend, Herr d'Aubiac; wollt ein wenig auf die Seite treten, ich habe Lust, spazierenzugehen.«
    »Ah! es ist verboten, in der Nacht im Schloß spazierenzugehen, Herr Chicot.«
    »Warum, bitte, Herr d'Aubiac?«
    »Weil der König die Diebe und die Königin die Verliebten fürchtet.«»Mein lieber Herr d'Aubiac,« erwiderte Chicot mit seinem freundlichsten Lächeln, »ich bin weder das eine noch das andere, ich bin Botschafter, und zwar ein sehr müder Botschafter, weil ich mit der Königin lateinisch gesprochen und mit dem König zu Nacht gespeist habe, denn die Königin ist eine tüchtige Lateinerin und der König ein tüchtiger Trinker; laßt mich also hinaus, mein Freund, denn ich habe ein großes Verlangen, spazierenzugehen.«
    »In der Stadt, Herr Chicot?«
    »Oh! nein, in den Gärten.«
    »Pest, in den Gärten ist es noch viel mehr verboten, als in der Stadt.«
    »Mein kleiner Freund,« versetzte Chicot, »ich muß Euch das Kompliment machen, Ihr seid für Euer Alter außerordentlich wachsam.«
    Dabei drückte er dem Pagen zehn Pistolen in die Hand, die nicht beschnitten waren wie die des Bearners.
    »Ah! Herr Chicot,« sagte der Page, »man sieht wohl, daß Ihr vom französischen Hofe kommt, Ihr habt Manieren, denen man nicht zu widerstehen vermöchte; geht also aus Eurem Zimmer; macht aber ja kein Geräusch!«
    Chicot ließ sich das nicht zweimal sagen; er schlüpfte wie ein Schatten in den Korridor und vom Korridor auf die Treppe; doch als er unter an den Säulengang kam, fand er einen Palastbeamten, der auf einem Stuhle schlief.
    Dieser Mensch schloß die Tür schon mit seinem Körper; ein Versuch vorüberzugehen, wäre Wahnsinn gewesen.
    »Ah! kleiner Schuft von einem Pagen,« murmelte Chicot, »du wußtest das und sagtest es mir nicht.«
    Um das Maß des Unglücks vollzumachen, schien der Beamte einen sehr leichten Schlaf zu haben; er regte bald einen Arm, bald ein Bein; einmal streckte er sogar die Arme aus wie ein Mensch, der aufzuwachen droht.
    Chicot suchte um sich her, ob nicht irgendwo ein Ausgang wäre, durch den er mit Hilfe seiner langen Beine schlüpfen könnte, ohne durch die Tür zu gehen. Er erblickteendlich, was er wünschte; es war eins von den Bogenfenstern, das offen geblieben war.
    Chicot betastete die Mauer mit seinen Fingern; er berechnete tastend jeden Raum zwischen den Vorsprüngen, und bediente sich dieser, um den Fuß darauf zu setzen

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