Die Fünfundvierzig
öffne, um hinauszukönnen.«
»Ah! Herr Chicot,« rief der Offizier, »verzeiht, daß ich Euch warten lasse; ich bin trostlos, entschuldigt mich, ich komme sogleich hinab und gehöre ganz Euch.«
Chicot nagte sich mit einem Anfang von Wut an den Nägeln. »Sollte ich denn niemand finden, der mich nicht kennt; dieses Nerac ist also eine Laterne, und ich bin das Licht!«.
Der Offizier erschien auf der Schwelle. »Entschuldigt, Herr Chicot,« sagte er, mit großer Hast heraustretend, »ich schlief.«
»Wie, mein Herr,« versetzte Chicot, »die Nacht ist hierzu gemacht; wäret Ihr wohl so gut, mir das Tor öffnen zu lassen? Ich schlafe leider nicht, der König, Ihr wißt es ohne Zweifel auch, der König kennt mich.« – »Ich habe Euch heute mit Seiner Majestät im Palast sprechen sehen.«
»So ist es,« brummte Chicot. »Nun wohl, es mag sein, habt Ihr mich mit dem König sprechen sehen, so habt Ihr mich wenigstens nicht mit ihm sprechen hören.« – »Nein, Herr Chicot, ich sage nur, wie es sich verhält.«
»Ich auch; der König bat mich, als er mit mir sprach, ihm heute nacht einen Auftrag in Agen zu besorgen, diesesTor ist aber das von Agen, nicht wahr?« – »Ja, Herr Chicot.«
»Es ist geschlossen?« – »Wie Ihr seht.«
»Ich bitte, laßt es mir öffnen!« – »Sehr wohl, Herr Chicot; Anthenas, Anthenas, öffnet Herrn Chicot das Tor!«
Chicot machte große Augen und atmete wie ein Taucher, der fünf Minuten unter den Wellen gewesen ist und wieder auf die Oberfläche kommt.
Das Tor ächzte in seinen Angeln, ein Tor des Paradieses für Chicot, der dahinter die ganze Wonne der Freiheit erblickte.
Er grüßte herzlich den Offizier und ging auf das Gewölbe zu.
»Gott befohlen,« sagte er, »ich danke.« – »Gott befohlen,« Herr Chicot, »glückliche Reise!«
Chicot machte noch ein paar Schritte nach dem Tor.
»Halt! halt!« rief der Offizier, indem er Chicot nachlief und ihn am Ärmel zurückhielt, »ich Unbesonnener! mein lieber Herr Chicot, ich vergaß, Eure Auslaßkarte von Euch zu verlangen.«
»Wie! meine Auslaßkarte?« – »Gewiß, Ihr seid ein Kriegsmann, Herr Chicot, und wißt, was eine Auslaßkarte ist, nicht wahr? Ihr begreift Wohl, man geht aus einer Stadt wie Nerac nicht hinaus, ohne eine Auslaßkarte des Königs, besonders wenn der König dort wohnt.«
»Und von wem muß diese Karte unterzeichnet sein?« – »Vom König selbst. Da Euch nun der König hinausschickt, so wird er nicht vergessen haben, Euch eine Auslaßkarte zu geben.«
»Ah! ah! bezweifelt Ihr, daß mich der König schickt?« sagte Chicot, das Auge in Flammen, denn er sah sich auf dem Punkt zu scheitern, und der Zorn gab ihm den schlimmen Gedanken ein, den Offizier und den Torwart zu töten und durch das offene Tor zu entfliehen, als er, sich umwendend, bemerkte, daß das Tor durch eine äußere Runde versperrt war, die sich gerade hier fand, um Chicotdie Flucht abzuschneiden, wenn er auch den Leutnant, die Schildwache und den Torwart getötet hätte.
»Ah!« sagte Chicot seufzend zu sich selbst, »das ist gut gespielt; ich bin ein Dummkopf, ich bin verloren.«
Und er drehte sich auf den Absätzen um.
»Soll man Euch zurückgeleiten?« fragte der Offizier.
»Es ist unnötig, ich danke,« erwiderte Chicot.
Chicot kehrte auf dem Wege zurück, auf dem er gekommen war, doch er hatte das Ende seines Märtyrertums noch nicht erreicht. Unterwegs begegnete er nacheinander dem Profosen, dem Kornett und der Schildwache, jeder hatte eine hänselnde Frage für ihn, und beschämt und gedemütigt kehrte Chicot in den Palast zurück.
Seine verlegene Miene rührte den Pagen, der immer noch auf seinem Posten war.
»Lieber Herr Chicot,« sagte er, »soll ich Euch den Schlüssel zu dem allem geben?«
»Gib, Schlange, gib,« murmelte Chicot.
»Nun wohl! der König liebt Euch so sehr, daß ihm viel daran gelegen ist, Euch zu behalten.«
»Und du hast das gewußt, kleiner Schurke, und mich nicht davon in Kenntnis gesetzt!«
»Oh! Herr Chicot, unmöglich, es war ein Staatsgeheimnis.«
»Aber ich habe dich bezahlt, Verruchter!«
»Oh! das Geheimnis war mehr wert als zehn Pistolen; Ihr werdet das zugeben, lieber Herr Chicot.«
Chicot kehrte in sein Zimmer zurück und entschlief vor Zorn.
Der Oberjägermeister des Königs von Navarra.
Als Margarethe den König verließ, begab sie sich sogleich in das Gemach der Ehrenfräulein. Im Vorübergehen nahm sie ihren Arzt Chirac mit, der im Schlossewohnte, und sie trat bei der
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