Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Fünfundvierzig

Titel: Die Fünfundvierzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas d. Ä.
Vom Netzwerk:
wie auf Leitersprossen. Endlich hißte er sich mit seiner bekannten Geschicklichkeit und Leichtigkeit, ohne mehr Geräusch, als ein dürres Blatt, das unter dem Herbstwinde an der Wand hinstreift.
    Aber das Fenster war von so eigentümlicher Wölbung, daß Chicot trotz seiner Geschmeidigkeit, als er den Kopf und die Schultern durchgestreckt und den Fuß vom Mauervorsprung gehoben hatte, zwischen Himmel und Erde hing, ohne rückwärts oder vorwärts zu können.
    Er strengte sich krampfhaft an, mit dem Erfolge, daß er sein Wams zerriß und sich die Haut aufritzte. Was seine Lage noch schwieriger machte, war der Degen, dessen Griff nicht durch wollte und Chicot an der Einfassung festhielt. Endlich gelang es ihm, mit Aufbietung aller Kräfte sich hindurchzuzwängen; er fiel auf den Boden, wobei er die Heftigkeit des Falles durch Aufstützen mit den Händen milderte. Dieses Ringen war jedoch nicht geräuschlos vorübergegangen, Chicot sah sich auch, als er wieder aufstand, einem Soldaten gegenüber.«
    »Ah! mein Gott! solltet Ihr Euch weh getan haben?« fragte ihn dieser.
    »Abermals!« murmelte Chicot.
    Dann gedachte er der Teilnahme, die dieser brave Mann gegen ihn an den Tag legte, und erwiderte: »Nein, nein, mein Freund, durchaus nicht.«
    »Das ist ein Glück,« sagte der Soldat, »ich fordere jeden heraus, ein solches Stück auszuführen, ohne den Hals zu brechen; in der Tat, nur Herr Chicot konnte dies tun.«
    »Woher, zum Teufel, weißt du meinen Namen?« fragte Chicot erstaunt, während er vorbeizugehen suchte.
    »Ich weiß ihn, weil ich Euch heute im Palast gesehenund gefragt habe: »Wer ist dieser Edelmann mit der vornehmen Miene, der mit dem König plaudert?« »Es ist Herr Ehicot« antwortete man mir.«
    »Was ist äußerst artig,« sagte Chicot; »doch da ich große Eile habe, mein Freund, so wirst du mir erlauben, daß ich jetzt meinen Geschäften nachgehe.«
    Aber der Soldat widersetzte sich mit derselben Hartnäckigkeit Chicots Entfernung wie der Page, indem er sich auf einen Befehl berief, bis Chicot auch bei ihm zu demselben Mittel griff; er holte aus seiner Tasche zehn Pistolen und drückte sie dem Soldaten in die Hand.
    »Geht schnell, Herr Chicot, geht schnell, sagte hierauf der Soldat und steckte das Geld ein.
    Chicot war auf der Straße; er orientierte sich; er hatte die Stadt durchlaufen, um nach dem Palast zu kommen, und mußte dem entgegengesetzten Wege folgen, um durch das Tor, dem entgegengesetzt, durch das er eingeritten war, hinauszugelangen.
    Die helle, wolkenlose Nacht war nicht günstig für eine Entweichung; Chicot ersehnte die nebeligen Nächte Frankreichs, mit deren Hilfe man in Paris zu dieser Stunde auf vier Schritte,, ohne sich zu sehen, aneinander vorübergehen konnte; auf dem spitzigen Pflaster der Stadt schollen überdies seine beschlagenen Schuhe wie Hufeisen. Der unglückliche Botschafter hatte sich auch kaum um die Straßenecke gewendet, als er auf eine Patrouille stieß.
    Er blieb stehen, indem er sich sagte, daß es verdächtig aussehen würde, wenn er versuchen wollte, sich zu verbergen oder den Durchgang zu erzwingen.
    »Ei! guten Abend, Herr Chicot,« sagte der Anführer der Patrouille, indem er ihn mit dem Degen grüßte, »soll ich Euch zum Palast zurückführen? Ihr seht mir ganz aus, als hättet Ihr Euch verirrt und als suchtet Ihr Euren Weg.«
    »Ah! es kennt mich also die ganze Welt hier?« murmelte Chicot. »Bei Gott! das ist seltsam!«
    Dann sagte er laut und mit der unbefangenen Miene, die er annehmen konnte: »Nein, Kornett, Ihr täuscht Euch, ich gehe nicht in den Palast.«
    »Ihr habt unrecht, Herr Chicot,« erwiderte der Offizier mit ernstem Tone.
    »Warum?«
    »Weil ein sehr strenges Edikt den Einwohnern von Nerac, außer in Fällen dringender Notwendigkeit verbietet, bei Nacht ohne Erlaubnis und ohne Laterne auszugehen.«
    »Entschuldigt mich, mein Herr,« entgegnete Chicot, »das Edikt geht mich nichts an.«
    »Warum?«
    »Ich bin nicht von Nerac,«
    »Ja, aber Ihr seid in Nerac ... Einwohner heißt nicht, wer von einem Orte, sondern wer an einem Orte ist ... Ihr werdet aber nicht leugnen, daß Ihr Euch in Nerak aufhaltet, da ich Euch in den Straßen von Nerac begegne.«
    »Ihr seid ein Logiker, mein Herr, leider habe ich aber große Eile; geht also von Eurem Befehle, ab und laßt mich vorüber, ich bitte Euch.«
    »Ihr könntet ein Unglück haben, Herr Chicot; Nerac ist eine Stadt mit vielen Krümmungen; Ihr werdet in ein Loch fallen, und müßt

Weitere Kostenlose Bücher