Die Fünfundvierzig
raschen Blick nach der Tür. Aber so rasch dieser Blick auch gewesen war, so hatte ihn doch Chicot im Fluge aufgefangen.
Heinrich näherte sich Chicot.
»Du bist dergestalt trunken, mein armer Chicot, daß du eines nicht bemerkst.« – »Was?«
»Daß du die Matten meines Kabinetts für dein Bett hältst.« – »Chicot ist ein Kriegsmann! Chicot kümmert sich nicht um eine solche Kleinigkeit.«
»Dann bemerkst du ein Zweites nicht.« – »Ah! ah! .... Und was ist das?«
»Daß ich jemand erwarte.« – »Zum Abendessen? Gut, laß uns speisen!« Hier strengte er sich vergeblich an aufzustehen.
»Ventre-saint-gris! rief Heinrich, »wie schnell wirst du betrunken, Gevatter. Alle Teufel! Du siehst wohl, daß sie ungeduldig wird.« – »Sie,« machte Chicot, »welche sie?«
»Ei! beim Teufel! die Frau, die ich erwarte ... sie steht dort vor der Tür Schildwache.« – »Eine Frau! ... Ei! warum sagst du das nicht, Henriquet ... Ah! verzeiht mir, ich glaubte ... ich glaubte mit dem König von Frankreich zu sprechen. Seht Ihr, er hat mich verdorben, dieser gute Henriquet. Warum sagtet Ihr das nicht, Sire? Ich gehe schon.«
»So gefällst du mir, du bist ein wahrer Edelmann. Schön, stehe auf und gehe ... denn ich habe eine gute Nacht zuzubringen, hörst du? eine ganze Nacht.« – Chicot stand auf und erreichte stolpernd die Tür. »Gott befohlen, Sire, und gute Nacht ... gute Nacht.«
»Gute Nacht, teurer Freund, schlafe wohl!« Er öffnetedie Tür. »Du wirst den Pagen in der Galerie finden, und er wird dir den Weg zeigen, gehe!«
Chicot ging hinaus, nachdem er sich so tief verbeugt hatte, wie es ein trunkener Mann tun kann.
Doch sobald er die Tür hinter sich geschlossen, verschwand jede Spur von Trunkenheit; er machte drei Schritte vorwärts, kehrte aber sogleich wieder zurück und drückte ein Auge an das breite Schloß.
Heinrich öffnete schon der Unbekannten die Tür, die Chicot, neugierig wie ein Gesandter, mit aller Gewalt kennen lernen wollte. Statt einer Frau trat aber ein Mann ein. Und als dieser Mann seinen Hut abgenommen hatte, erkannte Chicot das edle und ernste Gesicht Duplessis-Mornays, des strengen und wachsamen Rats.
»Ah! Teufel!« sagte Chicot, »der überfällt unseren Verliebten und wird ihn noch viel mehr belästigen, als ich ihn belästigte.«
Doch Heinrichs Antlitz drückte bei dieser Erscheinung nur Freude aus. Er reichte dem Eintretenden die Hand, stieß verächtlich die Tafel zurück und ließ Mornay mit dem Eifer neben sich setzen, mit dem sich ein Liebender seiner Geliebten nähert. Er schien begierig, die ersten Worte zu hören, die der Rat aussprechen würde; doch plötzlich, und ehe Mornay gesprochen hatte, stand er auf, hieß ihn durch ein Zeichen warten, ging zur Tür und schob die Riegel mit einer Behutsamkeit vor, die Chicot viel zu denken gab.
Dann heftete er seinen glühenden Blick auf Karten, Pläne, Briefe, die ihm sein Minister nach und nach vorlegte.
In diesem Augenblick hörte Chicot hinter sich gehen; es war der Page, der in der Galerie wachte und auf Befehl des Königs wartete. Aus Furcht, ertappt zu werden, wenn er länger horchen würde, richtete Chicot seine lange Gestalt hoch auf und verlangte von dem Knaben, in sein Zimmer geführt zu werden.
Für Chicot gab es jetzt keinen Zweifel mehr; er kannte die Hälfte der Buchstaben, die das Rätsel bildeten, das manden König von Navarra nannte. Statt einzuschlafen, setzte er sich nachdenkend auf sein Bett, während der Mond, an den spitzen Ecken des Daches niedersteigend, wie aus einer silbernen Gießkanne herab sein Licht auf den Fluß und auf die Wiesengründe ausströmte.
»Oh! oh!« sagte Chicot trübe, »Heinrich ist ein wahrer König, Heinrich konspiriert; dieser ganze Palast, sein Park, die Stadt, die ihn umgibt, die Provinz, die ihn umgibt, alles ist ein Herd der Verschwörung.
»Heinrich ist schlau, sein Verstand kommt dem Genie nahe; er hat Verbindungen mit Spanien – dem Lande der Betrügereien. Wer weiß, ob seine edle Antwort an den Botschafter nicht das Gegenteil von dem ist, was er denkt, und ob er nicht den Gesandten durch ein Blinzeln mit den Augen oder durch ein anderes verabredetes Zeichen, das ich nicht bemerken konnte, aufmerksam gemacht hat?
»Heinrich unterhält Spione, er besoldet sie oder läßt sie durch irgendeinen Agenten besolden. Diese Bettler waren nicht mehr, nicht weniger als verkleidete Edelleute. Ihre so kunstreich beschnittenen Goldstücke sind Erkennungszeichen,
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