Die Fünfundvierzig
die Ehrfurcht verletzt habe, die ich Euch schuldig bin, eine Ehrfurcht, die ich nur in Liebe verwandeln werde, wenn Ihr es mir befehlt. Billigt also, daß ich von diesem Augenblick Eure Befehle erwarte.«
»Still, still, übertreiben wir nicht, Herr von Carmainges,Ihr seid nun eiskalt, nachdem Ihr zuvor ganz Flamme gewesen.« – »Es scheint mir jedoch, Madame ...«
»Ei! mein Herr, sagt nie einer Dame, Ihr würdet sie lieben, wie Ihr wollt; das ist ungeschickt, zeigt ihr, daß Ihr sie lieben werdet, wie sie will, das ist vernünftiger.« – »Das habe ich gesagt, Madame.«
»Ja, aber das denkt Ihr nicht.« – »Ich beuge mich vor Eurer Überlegenheit.«
»Laßt die Artigkeiten, es würde mir widerstreben, hier die Königin zu spielen. Hier ist meine Hand, nehmt sie, es ist die einer einfachen Frau; nur ist sie etwas brennender und belebter als die Eurige.« – Ernauton nahm ehrfurchtvoll diese schöne Hand.
»Nun!« sagte die Herzogin. – »Nun?«
»Ihr küßt sie nicht? Seid Ihr verrückt? Habt Ihr geschworen, mich in Wut zu bringen?« – »Aber soeben ...«
»Soeben entzog ich sie Euch, während ich sie Euch nun gebe.« – Ernauton küßte die Hand mit so viel Gehorsam, daß man sie ihm sogleich entzog.
»Ihr seht wohl,« sagte der junge Mann, »abermals eine Lektion.«
»Ich habe also unrecht gehabt?« – »Sicher, Ihr laßt mich von einem Gefühl zum andern springen, die Furcht wird am Ende die Leidenschaft töten. Wohl werde ich fortfahren, Euch auf den Knien anzubeten, doch ich werde weder Liebe noch Vertrauen zu Euch haben.«
»Oh! ich will das nicht, denn Ihr wärt ein trauriger Liebhaber, und so mag ich sie nicht, das sage ich Euch zum voraus. Nein, bleibt natürlich, bleibt Ihr selbst, seid Herr Ernauton von Carmainges und nichts anderes! Ich habe meine Eigenheiten. Ei! mein Gott, habt Ihr nicht gesagt, ich sei schön? Jede schöne Frau hat ihre Eigenheiten; achtet manche, widersetzt Euch einigen, fürchtet mich vor allem nicht, und wenn ich zu dem stürmischen Ernauton sage: ›Seid ruhig!‹ so befrage er meine Augen und nie meine Stimme.«
Nach diesen Worten stand sie auf.
Es war Zeit; wieder von seinem Delirium ergriffen, hatte sie der junge Mann in seine Arme genommen, und die Maske der Herzogin streifte einen Augenblick die Lippen Ernautons; da aber fühlte er die tiefe Wahrheit dessen, was sie gesagt; denn durch ihre Maske schleuderten ihre Augen einen Blitz, kalt und weiß wie der finstere Vorläufer der Stürme.
Dieser Blick machte einen solchen Eindruck auf Carmainges, daß er seine Arme sinken ließ, und daß sein ganzes Feuer erlosch.
»Es ist gut,« sagte die Herzogin, »wir werden uns wiedersehen. Ihr gefallt mir entschieden, Herr von Carmainges.« – Ernauton verbeugte sich.
»Wann seid Ihr frei?« – »Leider ziemlich selten.«
»Ah! ja, ich begreife, nicht wahr, dieser Dienst ist anstrengend?« – »Welcher Dienst?«
»Der Dienst, den Ihr beim König tut. Seid Ihr nicht bei irgendeiner Garde Seiner Majestät?« – »Das heißt, Madame, ich gehöre zu einem Korps von Edelleuten.«
»Das wollte ich sagen, und diese Edelleute sind, glaube ich, Gaskogner.« – »Ja, alle, Madame.«
»Wieviel sind es? Man hat es mir gesagt, doch ich habe es vergessen.« – »Fünfundvierzig.«
»Was für eine sonderbare Zahl.« – »Es hat sich so gefunden.«
»Und diese fünfundvierzig Edelleute verlassen den König nicht, sagt Ihr?« – »Ich habe nicht gesagt, wir verlassen Seine Majestät nicht, Madame.«
»Ah! verzeiht, ich glaubte, ich hätte Euch dies sagen hören. Ihr sagtet wenigstens, Ihr hättet wenig Freiheit.« – »Es ist wahr, ich habe wenig Freiheit, Madame, weil wir am Tage für die Ausfahrten des Königs oder für die Jagden im Dienste sind, und weil wir am Abend im Louvre weilen müssen.«
»Jeden Abend?« – »Beinahe.«
»Seht, was geschehen wäre, wenn Euch z. B. diesen Abend der Befehl im Louvre zurückgehalten hätte! Hätte ich nicht glauben müssen, mein Entgegenkommen treffe auf Verachtung?« – »Ah! Madame, um Euch zu sehen, werde ich nun alles wagen, das schwöre ich Euch.«
»Es ist dies unnötig, und es wäre albern, ... ich will es nicht.« – »Aber dann ...?«
»Tut Euren Dienst; es ist an mir, mich danach zu richten, an mir, die ich stets frei und Herrin meines Lebens bin.« – »Ah! wieviel Güte, Madame!«
»Doch dies alles erklärt mir nicht,« fuhr die Herzogin mit ihrem einschmeichelnden Lächeln fort, »warum Ihr diesen
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