Die Fünfundvierzig
DomModeste wird herbeieilen, und da man in einer von den Taschen des Toten seine Börse wiederfindet, du begreifst, es ist wichtig, daß man diese Börse findet, ich sage dir das nur zur Nachachtung, und da man in einer von den Taschen des Toten seine Börse und in der andern diesen Brief findet, so faßt man keinen Verdacht.«
»Ich verstehe, lieber Herr Chicot,« – »Mehr noch, du erhältst eine Belohnung, statt bestraft zu werden.«
»Ihr seid ein großer Mann, lieber Herr Chicot; ich laufe in die Priorei von Saint-Antoine.« – »Warte doch, zum Teufel! Ich habe gesagt, die Börse und den Brief.«
»Ah! ja, und den Brief, Ihr habt ihn?« – »Ganz richtig.«
»Ich soll nicht sagen, daß er gelesen und abgeschrieben worden ist?« – »Bei Gott, gerade dafür, daß dieser Brief unberührt geblieben, wirst du eine Belohnung erhalten.«
»Es ist also ein Geheimnis in diesem Brief?« – »In diesen Zeitläuften finden sich in allem Geheimnisse, mein lieber Bonhomet.«
Nach dieser weisen Antwort befestigte Chicot äußerst geschickt die Seide wieder unter dem Siegelwachs, dann verband er das Wachs so künstlich, daß das geübteste Auge nicht den geringsten Sprung, hätte sehen können.
Sobald dies geschehen war, steckte er den Brief in die Tasche des Toten, ließ sich auf seine Wunde mit Öl und Weinhefe getränkte Leinwand auflegen, zog den schützenden Panzer über seine Haut, das Hemd über seinen Panzer, sein Wams über sein Hemd, hob seinen Degen auf, trocknete ihn ab, stieß ihn wieder in die Scheide und entfernte sich.
Doch er kehrte noch einmal um und sagte: »Wenn dir aber die Fabel, die ich erfunden habe, nicht gut vorkommt, so kannst du den Kapitän anklagen, er habe sich selbst den Degen durch den Leib gerannt.«
»Ein Selbstmord?« – »Bei Gott, du begreifst, das gefährdet niemand.«
»Doch man wird den Unglücklichen nicht in geweihter Erde begraben.« – »Puh!« versetzte Chicot, »macht man ihm damit ein großes Vergnügen?« »Ich glaube wohl.« – »So tue, was du willst, mein lieber Bonhomet, Gott befohlen.«
Dann sagte er, zum zweiten Male zurückkehrend: »Ah! ich will bezahlen, da er tot ist.«
Chicot warf hierauf drei Goldtaler auf den Tisch, legte zum Zeichen des Stillschweigens seinen Finger auf seine Lippen und ging hinaus.
Der Gatte und der Liebhaber.
Nicht ohne mächtige Gemütsbewegung sah Chicot wieder die ruhige und öde Rue des Augustins, die Ecke, welche die Häuser, die vor dem seinigen standen, bildeten, und endlich sein Haus selbst mit seinem dreieckigen Dach, seinem wurmstichigen Balkon und den mit Drachenköpfen verzierten Dachrinnen.
Er hatte so sehr gefürchtet, nur eine Lücke an Stelle dieses Hauses zu finden, daß ihm das Haus als Wunder der Reinlichkeit, der Freundlichkeit und des Glanzes erschien.
Auch seinen Goldtalerschatz fand er unversehrt in dem Stützbalken, in dem er ihn, wie wir wissen, versteckt hatte.
»Alle Wetter,« murmelte Chicot, als er, seinen Schatz vor seinen Augen, mitten im Zimmer kauerte, »alle Wetter, ich habe da einen vortrefflichen Nachbar, einen würdigen Mann, der mein Geld in Achtung erhalten und selbst geachtet hat; das ist wahrhaftig eine unschätzbare Handlung in diesen Zeitläuften. Bei Gott! ich bin diesem artigen Mann einen Dank schuldig, und er soll ihn noch diesen Abend haben.«
Hierauf setzte Chicot das zudeckende Brettchen wieder auf den Balken, trat an das Fenster und schaute nach dem Hause gegenüber. Es hatte immer noch die graue, düstereFarbe, welche die Einbildungskraft unwillkürlich den Gebäuden leiht, deren Charakter sie kennt.
»Es muß ihre Stunde zum Schlafengehen noch nicht gekommen sein.« sagte Chicot, »und überdies sind diese Leute, dessen bin ich sicher, keine argen Schläfer; wir wollen also sehen.«
Er stieg hinab und klopfte, nachdem er seiner lachenden Miene allen Liebreiz zu geben bemüht gewesen, an die Tür des Nachbars.
Er hörte auf der Treppe gehen, und zwar mit behendem Schritte, und wartete dennoch ziemlich lange, ehe er zum zweiten Male klopfte.
Bei dieser neuen Aufforderung öffnete sich die Tür, und ein Mann erschien im Schatten.
»Meinen Dank und guten Abend,« sagte Chicot, indem er die Hand ausstreckte; »ich bin nun zurückgekehrt und komme, um Euch meine Erkenntlichkeit auszudrücken, lieber Nachbar.«
»Was beliebt?« machte eine Stimme, deren Ton Chicot sehr in Erstaunen setzte.
Zugleich tat der Mann, der die Tür geöffnet hatte, einen Schritt
Weitere Kostenlose Bücher